Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
glühendsten Anhängern gehörte ein gewisser Victor Wild, ein junger Lederwarenfabrikant, der bei der Prozesskirche den Namen Brother Ely trug.
Bis Dezember 1967 wohnte Victor Wild am Sitz der Prozesskirche in San Francisco, in der Cole Street, Nummer 407, in Haight-Ashbury.
Etwa von April bis Juli 1967 hauste Charles Manson mit seiner noch jungen Family nur zwei Blocks entfernt in 636 Cole Street. Angesichts Mansons Neugier ist es mehr als wahrscheinlich, dass er zumindest Erkundigungen über die Satanisten einholte, und sehr viel spricht dafür, dass er von der Kirche einige Lehren entlieh.
Bei einem unserer Gespräche während des Tate-LaBianca-Prozesses fragte ich Manson, ob er Robert Moore oder Robert DeGrimston kenne. Er gab an, DeGrimston nicht zu kennen, sagte jedoch, dass er Moore begegnet sei. »Er steht vor Ihnen«, erklärte mir Manson. »Moore und ich sind ein und dieselbe Person.« Meiner Ansicht nach wollte er mir damit sagen, dass sie beide seines Erachtens gleich dachten.
Kurze Zeit darauf bekam ich Besuch von zwei Vertretern der Prozesskirche, einem Father John und einem Brother Mathew. Da sie erfahren hätten, dass ich mich nach der Gruppe erkundigte, seien sie von ihrem Hauptsitz in Cambridge, Massachusetts, hierhergeschickt worden, um mir zu versichern, dass Manson und Moore sich nie begegnet seien und dass Moore Gewalt ablehne. Außerdem überreichten sie mir einige ihrer Schriften. Am folgenden Tag erschienen die Namen »Father John« und »Brother Mathew« auf Mansons Besucherliste. Worüber sie gesprochen haben, ist nicht bekannt. Mit Bestimmtheit kann ich nur sagen, dass Charlie bei meinem letzten Gespräch mit ihm meinen Fragen nach der Prozesskirche auswich.
1968 und 1969 unternahm die Prozesskirche in den Vereinigten Staaten eine groß angelegte Rekrutierungskampagne. Im Mai und Juni 1968 und dann wieder mehrere Monate lang im Herbst 1969 waren ihre Vertreter in Los Angeles und kehrten, nachdem sie angeblich etwa 200 amerikanische Hippies zu ihrer Sekte bekehrt hatten, im Oktober nach England zurück. Manson hielt sich während beider Zeiträume in Los Angeles auf. Es ist also durchaus möglich, dass es zu Manson und/oder seiner Gruppe Kontakte gab, doch Belege fand ich dafür nicht. Ich vermute eher, dass Manson 1967 in San Francisco mit der Gemeinschaft in Berührung kam, zu einem Zeitpunkt, als seine eigene Philosophie gerade erst Gestalt anzunehmen begann. Angesichts der vielen Parallelen zwischen Mansons Lehren und denen der Prozesskirche, so wie sie deren Literatur zu entnehmen sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu Kontakten kam.
Beide predigten ein unmittelbar bevorstehendes, von Gewalt geprägtes Armaggedon, bei dem alle Menschen außer den wenigen Auserwählten untergehen. Beide fanden die Grundlage dafür in der Johannesoffenbarung. Beide glaubten, dass Motorradgangs wie die Hell’s Angels die Kampftruppen der letzten Tage seien. Und beide bemühten sich darum, diese Gangs anzuwerben.
Die großen drei Götter des Universums waren laut Prozesskirche Jehova, Luzifer und Satan, wobei Christus alle drei am Ende versöhnen und einigen würde. Manson lehrte eine einfachere Dualität, seine Anhänger kannten ihn sowohl als Satan als auch als Christus.
Beide Seiten lehrten die Wiederkunft Christi, abgesehen von ihrer ganz eigenen Interpretation keine besonders ungewöhnliche Glaubenslehre. Wie es in einem Pamphlet der Prozesskirche heißt: »Durch Liebe haben Christus und Satan ihre Feindschaft überwunden und sind für das Ende zusammengekommen: Christus, um zu richten, Satan, um den Richtspruch auszuführen.« Wenn Christus dieses Mal wiederkehre, so Manson, dann würden die Römer, das heißt das Establishment, gekreuzigt.
Mansons Einstellung zur Angst war so eigentümlich, dass ich sie zunächst für einmalig hielt – bis ich eine Ausgabe der Zeitschrift The Process las, die sich mit dem Thema »Angst« befasste: »Angst ist segensreich … Angst ist der Katalysator für Aktion. Sie spendet die Energie, sie ist die Waffe, die von Anfang an im Spiel ist und ein Geschöpf befähigt, sich selbst zu beflügeln, sich zu neuen Höhen zu erheben und die Bitternis des Scheiterns hinter sich zu lassen.« Wenn auch mit anderen Worten, so entsprach dies exakt Mansons Lehre.
Manson sprach häufig vom bodenlosen Abgrund, die Prozesskirche von der bodenlosen Leere.
Innerhalb der Organisation nannte sich die Prozesskirche – zumindest bis 1969 – »the family«, und deren
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