Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
blieben wieder die einzelnen Puzzleteile, doch diesmal war in den Übereinstimmungen zumindest schemenhaft ein Muster zu erkennen:
Los Angeles, Kalifornien, aufeinanderfolgende Nächte, Mehrfachmorde, wohlhabende Weiße als Opfer, zahlreiche Stichwunden, unglaubliche Brutalität, das Fehlen eines herkömmlichen Motivs, keine Hinweise darauf, dass das Haus durchsucht oder dass etwas geraubt worden wäre, ein Seil um den Hals von zwei Tate-Opfern, Schnüre um den Hals der beiden LaBiancas. Und die mit Blut geschriebenen Druckbuchstaben.
Dennoch dauerte es keine 24 Stunden, bis die Polizei zu dem Ergebnis kam, dass zwischen den beiden Morden keinerlei Verbindung bestehe.
»Erneute Ritualmorde –
Ehepaar in Los Feliz getötet;
Verbindung zu Fünffach-Mord vermutet«
Die Schlagzeilen kannten an diesem Montagmorgen nur ein Thema, Fernsehprogramme wurden für die neuesten Meldungen unterbrochen, und die Millionen von Berufspendlern auf den Autobahnen in und um Los Angeles bekamen im Radio kaum etwas anderes zu hören. 10
Zu diesem Zeitpunkt begann sich Angst auszubreiten.
Als die Tate-Morde bekannt wurden, standen selbst die Freunde der Opfer eher unter Schock, als dass sie sich fürchteten, schließlich war auch ein Verdächtiger, dem die Morde angelastet wurden, festgenommen worden. Jedoch war Garretson, als diese neuen Morde passierten, noch in Untersuchungshaft. Nach seiner Entlassung – bei der er immer noch so verwirrt und verängstigt wirkte wie bei seiner Gefangennahme – griff langsam, aber sicher die Panik um sich.
War aber Garretson nicht schuldig, dann lief derjenige, der die Morde begangen hatte, noch irgendwo frei herum. Und da die Verbrechen an zwei so weit voneinander entfernten Orten wie Los Feliz und Bel Air geschehen waren und die Opfer von Hollywood-Prominenz bis zum Inhaber von Lebensmittelmärkten und seiner Ehefrau reichten, stand zu befürchten, dass es jeden überall treffen konnte.
Die um sich greifende Angst war an einigen Dingen sogar messbar: Innerhalb von zwei Tagen verkaufte ein Sportartikelgeschäft in Beverly Hills 200 Feuerwaffen, vor den Morden waren es normalerweise drei bis vier pro Tag. Einige der privaten Sicherheitsfirmen verdoppelten ihr Personal, um es kurz darauf sogar zu verdreifachen. Wachhunde, die sonst für 200 Dollar zu kaufen waren, kosteten jetzt 1500 Dollar, und trotzdem konnten die Händler die große Nachfrage kaum befriedigen. Schlosser verzeichneten in ihren Auftragsbüchern zweiwöchige Wartezeiten. Schießunfälle und Hinweise auf verdächtige Personen nahmen schlagartig zu.
Die Nachricht, dass es an diesem Wochenende 28 Morde in Los Angeles gegeben hatte – der Durchschnitt lag sonst bei einem pro Tag –, trug auch nicht gerade zur Beruhigung der Lage bei.
Es kursierten Gerüchte, dass Frank Sinatra sich sicher versteckt habe und Mia Farrow der Beisetzung ihrer Freundin Sharon fernbleiben wolle, weil sie laut einer Angehörigen »Angst hatte, die Nächste zu sein«. Tony Bennett sei »wegen der größeren Sicherheit« aus dem Bungalow auf dem Gelände des »Beverly Hills Hotels« in eine Suite des Hotels gezogen. Steve McQueen halte jetzt eine Waffe unter dem Vordersitz seines Sportwagens bereit, und Jerry Lewis habe in seinem Haus eine Videoüberwachungsanlage eingebaut. Connie Stevens gab später zu, ihr Domizil in Beverly Hills in eine Art Festung verwandelt zu haben. »Vor allem wegen der Sharon-Tate-Morde. Das hat alle absolut in Panik versetzt.«
Freundschaften und Liebesbeziehungen gingen in die Brüche, Leute wurden von einem Tag auf den anderen von Gästelisten gestrichen, Partys abgesagt – denn mit der Angst zog auch das Misstrauen ein. Schließlich konnte beinahe jeder ein Killer sein.
Die Dunstglocke der Angst, die über dem südlichen Kalifornien hing, wog schwerer als der Smog. Sie sollte sich monatelang nicht lichten. Noch im März des folgenden Jahres schrieb William Kloman im Esquire: »In den prächtigen Häusern von Bel Air rennen die Leute schon in Panik ans Telefon, wenn draußen ein Ast herunterfällt.«
»Political piggy« – Hinman;
»Pig« – Tate;
»Death to pigs« – LaBianca.
In allen Fällen mit dem Blut eines der Opfer geschrieben.
Doch Sergeant Buckles fand diese Übereinstimmung immer noch nicht wichtig genug, um weiter darüber nachzudenken.
Der stellvertretende Gerichtsmediziner David Katsuyama führte die LaBianca-Autopsien durch. Bevor er damit begann, entfernte er die Kissenbezüge von den Köpfen
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