Helvetias Traum vom Glück (German Edition)
grossen Mehrheit bestimmen.
Bevor Ferrari auf die Klingel drücken konnte, öffnete sich das Tor wie von Geisterhand.
«Herzlich willkommen, Kommissär Ferrari!», begrüsste ihn eine Frauenstimme aus der Gegensprechanlage. Spinn ich? Misstrauisch ging der Kommissär die Einfahrt zur Villa hoch.
«Überraschung! Hallo, Francesco!»
«Olivia! Was machst du denn hier?»
«Ich kümmere mich ein wenig um Ines. Aber komm erst einmal rein. Es ist saukalt, wahrscheinlich schneit es bald. Häng deinen Mantel an die Garderobe. Wir haben dich erwartet.»
Ferrari legte seinen Wintermantel ab, blickte auf dem Weg ins Wohnzimmer noch kurz in einen Spiegel und strich sich eine nicht vorhandene Strähne aus dem Gesicht. Ines Weller sass im Morgenmantel auf einer Couch. Er hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Elegant, so wie Olivia. Eine Frau von Welt. Doch vor ihm sass eine zierliche, ältliche Person, die alles andere als attraktiv war. Olivia drückte ihn auf einen Stuhl.
«Einen Kaffee?»
«Ja, gern. Ich bin beinahe erfroren auf dem Weg hier rauf.»
«Immer schön mit dem Tram unterwegs. Eine seiner Macken, Ines. Er fährt nie oder fast nie mit dem Auto. Dabei regt er sich im Tram immer über seine Zeitgenossen auf.»
Ines Weller versuchte zu lächeln.
«Olivia ist eine Spötterin. Aber das muss ich Ihnen nicht sagen, Herr Kommissär», hauchte sie kaum verständlich.
«Und trifft damit oft ins Schwarze, Frau Weller.»
«Ines … bitte nennen Sie mich Ines.»
«Entschuldigen Sie, Ines, dass ich Ihnen in dieser schwierigen und traurigen Situation ein paar Fragen stellen muss. Man sagte mir, dass Sie einen Schock erlitten haben und bisher nicht befragt werden konnten. Wenn es Ihnen nicht gut geht, komme ich ein anderes Mal wieder.»
Ihr Gesicht entspannte sich.
«Du hattest recht, Olivia. Er gefällt mir. Nein, Francesco, ich darf Sie doch Francesco nennen? Es geht schon. Ich versuche, Ihre Fragen zu beantworten. Und falls ich nicht mehr kann, sage ich es.»
«Zuerst … es tut mir sehr leid … mein herzliches Beileid.»
«Danke. Es ist alles noch so unverständlich, so irreal. Am Morgen komme ich in die Küche, denke, dass er schon am Tisch sitzt und seinen Kaffee trinkt. Dann wird mir plötzlich klar, dass er nie mehr da sein wird.»
Tränen kullerten über ihre Wangen.
«Das verstehst du sicher am besten, Olivia. Dir ist es vor ein paar Jahren genauso ergangen. Wir leben in einer schlimmen Zeit. Die Leute haben keinen Respekt mehr vor dem Leben anderer. Vor nichts mehr …»
Francesco warf Olivia einen Hilfe suchenden Blick zu. Sie gab ihm zu verstehen, dass er seine Fragen stellen solle.
«Können Sie mir schildern, was genau passiert ist?»
«Es … es ging … alles so schnell. Nur einige Sekunden. Ich … ich stand neben Peter. Eine Frau kam auf ihn zu und überreichte ihm einen Blumenstrauss. In diesem Augenblick ist eine schwarze Gestalt wie aus dem Nichts aufgetaucht und dann … dann ist Peter einfach zusammengebrochen.»
«Konnten Sie die Person erkennen? Können Sie sie beschreiben?»
«Beschreiben? Nein, einfach jemand in schwarzer Kleidung. So, wie der Schatten aufgetaucht ist, war er auch schon wieder verschwunden. Aufgetaucht aus dem Nichts, verschwunden ins Nichts – wie ein Phantom.»
Ferrari strich sich durch die Haare. Ines tat ihm leid, unendlich leid.
«Peter und ich … unsere Ehe war keine richtige Ehe mehr, sondern nur noch eine Lebensgemeinschaft. Wir gingen beide unsere eigenen Wege. Eigentlich hielten uns nur noch unsere Kinder zusammen und Peters Politik.»
«Dass Kinder verbinden, das verstehe ich gut. Wieso aber die Politik?»
«Sein grosser Traum war, Bundesrat zu werden. Da gerade in seiner Partei die Familie eine zentrale gesellschaftliche Rolle spielt, machte ich ihm zuliebe mit. Peter kümmerte sich um das Geschäft und verwirklichte seinen Traum, während ich vor allem in Stiftungen tätig bin. Die Kinder sind ja schon gross. Peter und ich … wir haben uns einfach auseinander gelebt. Als er jedoch so vor mir lag … mit traurigen, weit geöffneten Augen … als er auf einmal so hilflos war, dieser unheimlich starke Mann, dieser Gigant … in diesem Moment wusste ich, dass ich ihn immer noch liebe, dass er mir fehlen wird. Ich stürzte mich auf ihn, klammerte mich an ihm fest … ganz fest, weil es einfach nicht sein konnte, nicht sein durfte …»
Olivia reichte Francesco ein Taschentuch. Ferrari wischte sich verlegen eine Träne weg.
«Ines … ich muss
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