Helvetias Traum vom Glück (German Edition)
Gesichter gemerkt hat. Er lächelte uns nämlich vor der Villa zu. Reine Provokation. Er wollte, dass es eskaliert, um uns dann nochmals so richtig fertig zu machen. Zusammen mit den Bullen.»
«Die Polizei hätte da nie und nimmer mitgemacht», meinte Ferrari mit leichtem Zungenschlag.
«Ach was! Ich habe genau gesehen, wie er mit dem Oberbullen sprach und auf uns zeigte. Da war mir klar, dass wir sehr vorsichtig sein müssen.»
«Das heisst aber, dass ihr nicht vermummt gewesen seid.»
«Wir sind nie vermummt. Der Schwarze Block gehört nicht zu uns. Wir demonstrieren friedlich und gewaltlos. Nur, wenn es nicht anders geht, verteidigen wir uns.»
«Na ja, so ganz stimmt das nicht. Ihr besetzt immerhin dieses Haus und bei der ersten Räumung habt ihr nicht als Pazifisten geglänzt», konterte Ferrari.
«Stimmt schon. Hier gehts aber auch um viel. Die ganze Häuserzeile soll abgerissen und durch einen Bürokomplex ersetzt werden. Das hier war alles günstiger Wohnraum. Wissen Sie, wer in diesem Haus wohnte?»
«Nein, Dagmar. Ich darf dich doch beim Vornamen nennen?»
«Ja, das darfst du, Francesco Ferrari. Ich habe dich übrigens schon ein paar Mal im Fernsehen gesehen. Von dir können wir nichts erwarten. Du gehörst voll zum Establishment! Auf der Seite der Vischers, Merians, Sarasins und Wellers.»
«So, so!»
«Du tauchst immer dann auf, wenn einem Bonzen etwas passiert ist. Wundert mich nicht, dass du jetzt hier bist. Ist doch logisch. Der Alte wurde zwar von einem von euch abgemurkst, doch das darf nicht sein. Also zauberst du einen Schuldigen aus den linken Kreisen aus dem Hut. Ende gut, alles gut. Die Welt ist wieder im Gleichgewicht. Es interessiert dich doch überhaupt nicht, wers wirklich war.»
Nadine folgte belustigt der Diskussion zwischen Dagmar Lesser und dem Kommissär, der unentwegt an seinem Becher nippte. So denken die Leute also über mich! Ich bin Teil eines korrupten Systems. Von den Megareichen bezahlt, um sie aus der Schusslinie zu ziehen. Nicht etwa auf der Suche nach der Wahrheit, sondern nach einem gesellschaftsfähigen Sündenbock.
«Dann sind wir uns ja einig. Es geht mir nur darum, das schwächste Glied unter euch zu finden und einzusperren. Im tiefen Kerker ist noch jeder weichgeklopft worden», entgegnete Ferrari, der die Sinnlosigkeit erkannte, Dagmar vom Gegenteil überzeugen zu wollen.
«Du kannst dir deinen Sarkasmus sparen.»
Dagmar erhob sich und verliess den Raum.
«Dieser Joe, wie hat er euch informiert?»
«Übers Handy. Wie sonst?»
«Kommen wir nochmals auf den Mordabend zurück. Habt ihr rein gar nichts mitbekommen?»
«Nein. Eines muss man euch lassen, der Riegel war perfekt. Da war kein Durchkommen, auch wenn wir gewollt hätten. Und ehrlich gesagt, nach den Prügeln vor zwei Monaten waren wir nicht erpicht darauf, nochmals eins aufs Dach zu kriegen. Dagmar gehts seither mies, sie kann immer noch nicht richtig laufen. Aber wir wollten trotzdem Flagge zeigen. Damit diese rechte Sau weiss, dass wir alle seine Schritte beobachten.»
«Ist dir irgendetwas aufgefallen? Hast du jemanden wegrennen sehen?»
«Nö und du, Dagi?», wandte sich Ruedi Fink an Dagmar, die mit leicht geröteten Augen zurückgekehrt war.
«Es sind viele rausgerannt. Ziemlich panikartig. Aber ich habe im Durcheinander nicht gesehen, ob jemand von uns dabei gewesen ist.»
«Gut. Seid ihr hier bis nach Weihnachten zu erreichen?»
«Ja, bis Ende Januar. Dann ziehen wir weiter.»
Nadine gab Ruedi Fink ihre Visitenkarte.
«Wenn euch noch etwas einfällt, ruft mich an.»
«Keine Verhaftung? Kein Verhör in einem düsteren Keller? Keine Handschellen?»
Ferrari lachte.
«Ich muss dich enttäuschen! Unsere Zellen sind bis zur Decke gefüllt mit Verbrechern und die Foltergeräte, die laufen auf Hochtouren. Da müsst ihr euch hinten anstellen. Spass beiseite, du solltest wegen deines Beins unbedingt zum Arzt gehen, Dagmar.»
«Ich … ich kann nicht.»
«Und weshalb kannst du nicht?»
«Wegen dem Scheisssystem.»
«Aha! Das System ist schuld daran, dass du nicht zum Arzt kannst. Ich habe zwar etwas Glühwein getrunken, aber das verstehe nun, wer will.»
«Es nimmt mich kein Arzt.»
Ferrari sah Nadine verständnislos an.
«Sie will damit sagen, dass sie die Krankenkassenprämien nicht zahlen kann.»
«Verstehe …»
Von wegen! Manchmal bist du echt schwer von Begriff Ferrari. Der Kommissär erhob sich langsam, ging leicht beschwipst zum Fenster und führte ein kurzes
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