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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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hässlich und voller Angst, aber die Spangen in ihrem dünnen Haar und die Spitze, mit denen sie ihre Blusen verzierte, sprachen Bände. Einen geeigneten Freier zu finden war hingegen schwer. Wer würde eine Nacht mit Käthe verbringen wollen? Wir mussten uns etwas einfallen lassen.
    »Jens Jensen«, schlug Anke vor. »Der ist perfekt. Er ist ein Säufer und wird nicht einmal merken, mit wem er da herummacht. Seine Frau kümmert es nicht, dass er anderen Frauen hinterherjagt. Zumindest ist sie dann für eine Nacht vor ihm sicher.«
    »Ja«, sagte Sylvia. »Jensen ist eine gute Wahl.«
    Anke mit ihrem dunklen, schimmernden Haar und ihrer makellosen Haut, Anke mit ihren vollen Lippen und weißen Zähnen, lächelte. Lächelte und gab Sylvia recht.
    »Lasst uns den Apotheker nehmen«, sagte ich.
    »Seine Frau ist eifersüchtig«, wandte Anke ein. »Der wird niemals kommen.«
    »Der Apotheker«, sagte ich. »Wir werden ihn rumkriegen.«
    Sylvia zuckte mit den Achseln. »Wir können es versuchen. Aber er wird sich nie im Leben mit Käthe treffen wollen. Wir müssen ihm vormachen, dass er sich mit jemand anderem verabredet.«
    »Mit Heikes Mutter«, sagte ich.
    »Genial«, kreischte Heike, und dies eine Mal war ich für ihre Anwesenheit dankbar. Ich hatte damit gerechnet, dass sie ihre Mutter aus dem Spiel lassen wollte, aber sie war von meiner Idee begeistert. »Sie hat die gleiche Figur wie Käthe. Wenn es dunkel ist, wird er nicht wissen, dass es Käthe ist, bis es zu spät ist.«
    »Wenn es dunkel ist?«, fragte Anke, als ob es unschicklich sei.
    »Klar muss es dunkel sein«, sagte Heike. »Oh Mann, das wird so ein Spaß.«
    Heidrun Brodersen war unsere beste Wahl. Die Männer waren verrückt nach ihr, und Gerüchte gingen um, dass sie manche Nächte nicht zu Haus verbrachte, und dass ihr Ehemann Peter gewisse Nächte in Fricks Krug saß und darauf achtete, nicht vor Mitternacht nach Hause zu gehen. Dann spendierten ihm die Männer in der Gaststube Korn und Bier, bis er halbtot vom Hocker fiel. Doch mir waren Heidrun Brodersens Nächte und ihr Ruf egal. Mich interessierte der Apotheker. Wie würde ich es genießen, ihn in Käthes Armen zu sehen. Ich konnte es nicht erwarten.
    *
    Der Anfang war so leicht, wie wir es uns ausgemalt hatten. Eines frühen Morgens, als die Straßen menschenleer waren und der blaue Himmel einem weismachen wollte, dass es eine Welt jenseits von Hemmersmoor gab, sah ich Käthe auf einer Bank auf dem Dorfplatz sitzen. Sie war beim Bäcker gewesen und hatte Rosinenbrötchen und Eclairs gekauft, und saß nun lächelnd in der Sonne. Sie biss von einem Brötchen ab und stopfte sich einen halben Eclair in den Mund. Schließlich biss sie noch einmal von dem Brötchen ab, sodass ihre Wangen fast platzten. Erst jetzt fing sie zu kauen an, und Brotkrumen und Pudding regneten auf ihre Bluse und ihren Rock hinunter. Dabei lächelte sie weiter.
    »Hier«, sagte ich und gab ihr den Brief. »Ein Mann hat ihn mir gegeben.«
    Käthe starrte mich an und vergaß die Brötchen und Eclair in ihrem Mund. »Wer?«, fragte sie.
    Ich wartete, bis sie zu spucken und husten aufhörte, und zuckte mit den Achseln. »Das darf ich nicht sagen.« Dann rannte ich davon.
    Käthes Wandlung war ungeheuer. Das Rendezvous sollte erst Freitagnacht stattfinden, und sie hatte noch drei ganze Tage Zeit, aber schon am Nachmittag war sie eine ganz andere Frau. Sie kreischte noch immer, brabbelte von Skeletten und von Mägden, die die Balken der Kuhställe melkten, und von Kartoffeln, die wie Schwalben durch die Scheunen segelten. Doch am Nachmittag, nachdem ich ihr den Brief überreicht hatte, trug sie bereits ein gelbes Kleid, das wir nie zuvor an ihr gesehen hatten. Es war ein aberwitziger Fetzen, den sie aber vorführte, als ob sie eine ägyptische Prinzessin wäre.
    Der Rest war schon schwerer, und ich weigerte mich, den zweiten Brief abzugeben. Aber da ich Friedrich Penck selbst vorgeschlagen hatte, beharrten Sylvia, Anke und Heike darauf, dass ich in die Apotheke gehe. Mir blieb keine Wahl.
    Ich musste den ganzen Nachmittag warten, bis er endlich alleine in seinem Laden war. Seine Frau Rosemarie bediente oft die Kunden, die Bandagen oder Hustensirup wollten, und zwei Stunden lang sah ich Käthe in ihrem gelben Kleid zu, wie sie die Straße auf und ab rannte und wirres Zeug daherredete.
    Die Klingel über der Tür kündigte mich an. Friedrich Penck sah von hinter seinem Tresen auf. Um ihn herum in den dunklen Holzregalen standen

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