[Henderson_Charles]_Todesfalle-Die_wahre_Geschicht(Bookos.org)
zugewinkt hatte. Er war ein einfacher Bauer, dessen Leben sich um das große Zuckerrohrfeld und zwei überflutete Felder drehte, auf denen er abwechselnd Reis und Lotos anbaute. Sein Reichtum bestand in seiner Familie und in dem einzigen Wasserbüffel, den er sich mit einem Nachbarn teilte, der ihn wiederum an einem Faß Reis wein teilhaben ließ.
Der Krieg hatte ihm schon seinen Sohn genommen, aber die Witwe seines Sohnes war mit ihren Kindern bei ihm geblieben. Seine Frau war vor zehn Jahren gestorben. Nun waren seine Tochter, ihre beiden Kinder und die Witwe seines Sohnes mit ihren vier Kindern seine Familie, und sie alle betrachteten ihn als ihren Vater, ihren Beschützer und ihren Ernährer.
Im vergangenen Sommer 1966 hatte er noch nicht von Politik gesprochen. Das war ein Thema, von dem er nur wenig Ahnung hatte. Er konnte weder lesen noch schreiben, auch sonst konnte das niemand in der Familie. Sie waren Bauern, keine Gelehrten.
Im Dorf gab es aber auch Leute, die von Politik und Krieg redeten. Sie sprachen von Ho Tschi Minh und von seinem Traum, Vietnam dereinst wieder zu vereinigen. Aber würde ein vereintes Vietnam sein Zuckerrohr, seinen Reis oder seinen Lotos besser wachsen lassen? Würde ihm ein vereintes Vietnam seinen toten Sohn oder seine Frau zurückgeben?
Er arbeitete auf den drei Feldern, pflanzte und erntete seinen Lotos, sein Zuckerrohr, seinen Reis. Das war sein Leben. Mehr erwartete er nicht.
In diesem Sommer kamen die Vietkong, um Reis und Schweine zu holen und den Dorfbewohnern Vorträge zu halten. Der alte Mann stand in der Menge, hörte ihnen eine Weile zu und ging dann weg.
Der Vietkong-Befehlshaber bemerkte es. In dieser Nacht töteten die Vietkong den Wasserbüffel des alten Mannes und drohten, auch seine Familie zu töten und sein Haus zu verbrennen, wenn er nicht mit ihnen kooperierte.
Die Vietkong ließen ihm ein K-44-Gewehr chinesischer Herkunft zurück. Es war mit einer Rostschicht bedeckt, und durch den Schaft zog sich ein Sprung vom Handschutz bis zum Verschlußgehäuse. Selbst für einen Scharfschützen wäre es eine Leistung gewesen, wenn Schüsse aus dieser Waffe irgendwo in der Nähe eines anvisierten Ziels eingeschlagen hätten. Jede Nacht hinterlegten ihm die Vietkong zwanzig Schuß Munition, damit er auf die Amerikaner schieße, die oben auf dem Hügel lagerten. Wenn die Vietkong zurückkehrten, nahmen sie die zwanzig leeren Messinghülsen wieder mit.
In der dunkelsten Zeit der Nacht, wenn der Mond untergegangen war und die Sonne noch weit unter dem Horizont stand, nahm er das rostige Gewehr mit dem zerbrochenen Schaft und dem arg verschrammten Lauf und ging an den Rand seines Zuckerrohrfeldes. Dort versteckte er sich hinter einem Erdwall und legte das alte Gewehr darauf. Dann zielte er auf die Hügelkuppe und feuerte zwanzig Schüsse ab, einen nach dem anderen.
Im Schutz der schwarzen Schatten der Dämmerung sammelte der alte Mann die ausgeworfenen Messinghülsen ein und eilte zu seiner Hütte zurück, wo er das Gewehr unter Strohmatten versteckte und die leeren Hülsen in einen Topf in seinem Werkzeugschuppen warf. Wenn das erledigt war, ging er auf die Felder, um zu arbeiten - um sich vor einen Holzpflug zu spannen, den er nur zentimeterweise durch den tiefen Schlamm bewegen konnte; ein Wasserbüffel hatte ihn einst mühelos gezogen.
Am 11. November schickte Captain Land seine acht Heckenschützen um drei Uhr morgens zu den vier Schützenkompanien. Er selbst, Wilson, Hathcock und Burke blieben auf dem Hügel.
Hathcock hatte Land auf die Felder am Fluß hingewiesen und ihm erzählt, wie er früher stets nach Rauch Ausschau gehalten hatte, der aus den Tunnels der VC unterhalb der Dämme aufstieg. Obwohl viele dieser Felder direkt unter dem Hügel angeblich von befreundeten Streitkräften kontrolliert wurden, wußten die Heckenschützen, daß es in diesem Gelände von Vietkong wimmelte.
Hathcock setzte sich auf eine Munitionskiste.
»Skipper, wie lautet der Angriffsplan?«
»Gunny Wilson und Lance Corporal Burke sollen ans Flußufer hinuntergehen. Sie und ich, wir werden uns heute mit dem Teleskop die Welt von oben ansehen und nach Rauchzeichen Ausschau halten. Wir müssen mit ein paar Skalps am Gürtel nach Hause kommen, damit wir im Geschäft bleiben können. In Orten wie Quantico und Camp Pendleton gibt es Leute, die sich darum bemühen, daß Heckenschützen als reguläre Einheit in jedes Infanteriebataillon im Marine Corps eingegliedert werden. Wir haben jetzt die
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