[Henderson_Charles]_Todesfalle-Die_wahre_Geschicht(Bookos.org)
wie er. Hathcock hat ihm alles beigebracht was er weiß. Die beiden sagen niemals nein. Also passen Sie auf sie auf. Lassen Sie nicht zu, daß sie sich Hals über Kopf in Gefahren stürzen.«
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Die Jagd auf den General
Die Nachmittagssonne schien durch die Tarnnetze auf das alte Plantagenhaus, das jetzt der North Vietnamese Army Division als Kommandozentrale diente. Das gelbe Licht warf fleckige Schatten durch das Fenster und auf den alten Kommandeur, der hinter seinem tischähnlichen Schreibpult saß und eine Mitteilung schrieb.
Seine Division vergrößerte und verbesserte sich immer mehr. Aber der alte Kommandeur war wie ein großer Tiger aus den Bergen, der hinkte, weil er sich einen Dorn in die Pfote getreten hatte, der jetzt eiterte. Der ›Dorn‹ war die wachsende Zahl von Heckenschützen der U. S. Marines, und besonders der eine mit der weißen Feder am Hut - ein Symbol, das den kommunistischen General in Rage brachte, weil er es als Hohn auf die Fähigkeiten seiner besten Guerillas empfand. Jedesmal wenn berichtet wurde, jemand habe den Heckenschützen mit der weißen Feder gesichtet, verbreitete sich unter seinen Truppen wie unter den einheimischen Bauern Angst und Schrecken. Wo immer dieser Mann auftauchte, starben Soldaten.
Er blickte aus dem Fenster und durch die fleckigen Netze auf die blutrote Sonne über den Bergen, die aus dem sicheren Laos aufragten. Die untergehende Sonne ließ die goldenen und silbernen Verzierungen auf seinen großen roten Kragenspiegeln aufleuchten. Er dachte an den Krieg und an die zunehmende Zahl amerikanischer Soldaten und Waffen, die jetzt nach Süd Vietnam einströmten. Und er dachte an die steigende Zahl schwerer Bomben, die täglich von hoch oben fliegenden B-52 abgeworfen wurden.
Während diese Bomben entlang der entmilitarisierten Zone und der Grenze von Laos fielen, knüllte Hathcock ein grünweißes Zigarettenpäckchen zusammen und warf es in die hölzerne Munitionskiste, die ihm gleichzeitig als Nachttisch, Sitzgelegenheit und Müllbehälter diente. Er legte sich auf seinem Feldbett zurück und nahm einen langen, tiefen Zug aus seiner letzten Zigarette. Die Sonne ging jetzt hinter den fernen Hügelkuppen im Westen unter, und er sah zu, wie der leuchtend orangefarbene Himmel dunkel wurde und die Nacht hereinbrach.
Als er so dalag, dachte er an ein Gespräch mit Gunny Wilson an diesem Tag, kurz nachdem er einen Brief an Jo beendet hatte. Als er Jo über die vergangenen sechs Monate als Heckenschütze berichtete, war ihm klar geworden, daß vieles in seinem Leben sich unwiderruflich verändert hatte. Der Carlos Hathcock, der sich vor fast einem Jahr in Chu Lai bei Major George E. Bartlett, dem Führer der Militärpolizeikompanie der 1. Marine Division gemeldet und dort als MGSchütze und Militärpolizist Dienst getan hatte, war ein völlig anderer Mensch gewesen als der Carlos Hathcock, der die letzten sechs Monate seiner Dienstzeit als Heckenschütze und als stellvertretender Ausbildungsleiter der Heckenschützenschule in Da Nang verbracht hatte. Als Carlos sich bei dem ›Mustang‹ * Major meldete, der selbst als Scharfschütze an Wettkämpfen beteiligt gewesen war, hatte er noch nie einen Menschen getötet. Er hatte nie eine richtige Schlacht oder den Alltag des Krieges erlebt. Nun hatte er achtzig auf seinen Namen bestätigte Abschüsse zu verzeichnen und außerdem ein paar hundert Heckenschützen ausgebildet, über hundert davon persönlich. Als er nach Chu Lai gekommen war, hatte er Scharfschießen nur mit Schießscheiben in Verbindung gebracht. Nun waren die Schießscheiben für ihn zu lebenden, atmenden menschlichen Wesen geworden.
In ein paar Tagen würde der Befehl eintreffen, der seine befristete Zusatzdienstzeit als Heckenschütze beendete, er würde zu seiner Stammeinheit, der Military Police Company zurückkehren, und dort würde man ihn auf die Reise zurück
* Slangausdruck für Marine-Offiziere, die aus den Mannschaftsdienstgraden aufgestiegen sind.
in die Welt vorbereiten. Als grüner Junge war er nach Vietnam gekommen, dreiundzwanzig Jahre alt, noch unreif, den Kopf voller Träume und Ideale. Nun war er vierundzwanzig, sein Gesicht hatte Falten, und die Träume und Ideale waren in der harten Schule des Krieges zurechtgestutzt worden. Auch seine Jungenhaftigkeit hatte er verloren, sie war im Elephant Valley, auf Charlie Ridge, bei An Hoa und Da Nang aus seiner Seele gesickert. Er fühlte sich alt.
Hathcock betrachtete seinen Brief an Jo - eine
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