Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
aufgetaut …» Sophie funkelt mich an, ich schweig auf der Stelle.
«Wenn mich der Wolfgang,
unser lieber Freund
, nicht verständigt hätte, dann sähe es jetzt ganz schlecht für dich aus.» Mich wundert’s, dass ihr bei der Betonung von
unser lieber Freund
nicht die Galle aufsteigt. Prompt kriegt sie einen Hustenanfall. Ich will ihr auf den Rücken klopfen, doch sie schlägt meine Hand weg, räuspert sich und wettert weiter. «Ohne
ihn
säßest du schon in Stadelheim, und da herrschen ganz andere Haftbedingungen, das kann ich dir sagen. Dort ist es nicht so bequem wie hier, frisch gestrichen und so. Steh sofort auf.» Sie packt mich am Ellbogen, zieht mich hinter sich her und reißt die Tür auf. Sudoku und der Jäger Wolfi kleben mit ihren Lauschern dran, ich sehe an der Hochglanzpolierung noch ihr Ohrenschmalz. Sie wanken mit einem breiten Grinsen zur Seite, so einen Eins-a-Anschiss hört man nicht alle Tage mit an. Massel für sie, dass die Tür nach innen aufgeht. Oder vielleicht genau deswegen? Gefängnisarchitekten haben sich bestimmt Gedanken gemacht, dass man einen Insassen bespitzeln kann und anschließend nicht die Tür in die Fresse kriegt, wenn er wider Erwarten rausspaziert.
«Ich nehm den Zeugen zu einer Gegenüberstellung mit.» Sophies Tonfall klingt nach Löwin mit ausgefahrenen Krallen und imponiert nicht nur mir.
«Äh, was?» Dem Jäger Wolfi fallen die Mundwinkel nach unten, quasi Hau-den-Lukas vom Amboss bis zum Lämpchen mit einem Schlag.
Meine Frau zieht ein kunstvoll klein gefaltetes Dokument aus der hinteren Jeanstasche und reicht es ihm. Bis der Wolfi mit seinen Stummelfingern das entblättert hat, sind wir über alle sieben Berge, mein Lieblingszwerg und ich.
Freiheit, wie hab ich dich vermisst! Auch wenn die Kreisstadtluft nicht wie bei mir daheim riecht. Kein Wunder, dass der Jägerlateiner, oder nein, wie war das doch gleich, der Rängo, einen Faschingsclub als Ausgleich braucht. Jetzt schnell heim, in die Gummistiefel und über die Wiese schlappen, Moränenhügel, grün, so weit das Auge reicht. Aber ich traue dem Frieden nicht, schaue mich um, ob der Rängowolf samt Kumpan uns nicht doch auf den Fersen sind. Was hat die Sophie ihm eigentlich für einen Wisch hingezaubert? Mich graust es ein bisschen vor dem restlichen Donnerwetter, das ich jetzt gleich privat, ganz exklusiv von Sophie in der Funktion als meiner Frau kriegen werde, weil ich mich in ihre Ermittlungen eingemischt habe. Fast sehne ich mich nach der Zelle zurück. Abgesehen von diesem Mama-Albtraum, habe ich eigentlich ganz gut geschlafen und fühle mich erfrischt. Aber es hilft nichts.
«Wem willst du mich gegenüberstellen?», frage ich. Zwischen den vielen Polizeiwagen halte ich Ausschau nach der Isetta. Das schwere Eisentor wird sich kaum von selbst öffnen, wenn wir rausfahren wollen.
«Niemandem, das hab ich doch nur so gesagt.» Sophie winkt mich durch den Fußgängereingang zum Fahrradständer, wo sie halb schräg zwischen einem Radlanhänger und einem Klapprad geparkt hat. Ich steige ein und lasse mich auf der schmalen Bank nieder. Ein beengtes Auto hat Vorteile, so haben wir Körperkontakt extra. Meist darf ich jedoch nicht viel grapschen, weil meine Frau sich aufs Fahren konzentrieren muss. Und heute traue ich mich nicht. «Ganz schön viel los für Donnerstagmorgen», sage ich, um überhaupt irgendwas von mir zu geben. «Die Starnberger stehen früh auf.»
Sophie klettert auf den Fahrersitz, ich quetsche mich zu ihr, damit sie die Fronttür zubringt. «Früh? Es ist kurz nach halb zwölf.»
«Was?» Ich glaub’s nicht. «Warum hast du mich nicht früher geweckt? Ich muss heim, melken und alles. Und was ist mit der Emma, wie geht’s ihr?»
«Hat der Emil bereits erledigt, gleich nachdem der Wolfi angerufen hat.» Sophie tätschelt mir den Arm und startet die Isetta. Ich kenne mich gar nicht mehr aus, ihr Tonfall ist wie ausgewechselt, war das in der Zelle vorhin nur Show?
«Und sein Asthma, das Heu staubt doch so?»
«Er hat sich deine Atemschutzmaske aus der Werkstatt umgeschnallt, ganz schön raffiniert. Und die Emma ist zur Lisa runtergegangen, darf dort mitessen, und dann machen sie zusammen Hausaufgaben. Die Lisa hat die Windpocken schon gehabt. Bis spätestens um sechs, hab ich mit der Mutter vereinbart, soll Emma daheim sein.» Als sich eine Lücke auf der Münchener Straße auftut, holpern wir über den Randstein, mein Steißbein jault auf. Ich reibe mir den Allerwertesten und
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