Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
eben?»
«Jemand, der Speed nimmt, hält länger durch, braucht weniger Schlaf. Es dämpft den Hunger, und alles macht Spaß. Die Droge sorgt dafür, dass im Gehirn das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Die andere Seite ist: Man ist sofort abhängig, und der körperliche Verfall ist rasant. Schlechte Haut, Organschäden. Verletzungen heilen schlecht, weil die Abhängigen sich die Pickel oder was auch immer, wenn sie high sind, ständig neu aufkratzen. Außerdem kostet Crystal nicht viel. Meist kaufen sie sich das Doppelte ihres Bedarfs. Also zum Beispiel zehn Gramm, davon nehmen sie selber fünf, und die anderen fünf verticken sie.» Sophie kennt sich aus in der Szene. Ich bin beeindruckt.
«Wenn du das Zeug nicht entdeckt hättest, wären die Hendl samt Inhalt vermutlich unbemerkt im Abfall gelandet.» An der Ampel beugt sie sich zu mir rüber und küsst mich inniglich, bis wer hinter uns hupt. Es ist Grün. Als wir anfahren, fällt mir was ganz anderes ein. «War der Xand schon da?»
«Der Elektriker? Hast du den herbestellt? Ich weiß, dass die Stromsanierung ganz oben auf der Liste steht. Aber können wir die noch mal verschieben, jetzt wo der Papa im Krankenhaus ist? Ich weiß nicht, wie wir das sonst finanziell hinkriegen. Was das Tag für Tag dort kostet.»
«Liegt er noch auf der Privatstation?»
Sie nickt. «Ich hab mich auch gewundert, aber die Stationsschwester sagte, das sei in Ordnung. Warum nicht ein paar Stunden Luxus genießen, bevor er wieder in den Gemeinschaftssaal verlegt wird? War nicht unser Fehler, können wir sagen, wenn sie draufkommen. Aber allein das normale Tagegeld und die Behandlung werden auch so genug kosten.»
Wieder mal plagt mich das schlechte Gewissen. Es wird langsam dringend, Rechnungen zu schreiben für erledigte Aufträge. Meine Brüder haben mir erzählt, dass es bei unseren Eltern genauso war. Wenn der Vater ein Kalb verkauft hat oder Kartoffeln, dann hat er nie sofort das Geld von den Leuten verlangt. Und wenn der ein oder andere nach Wochen den Anstand hatte nachzufragen, wie viel er zahlen muss, dann hat die Mama gesagt, betet halt für ihn, das ist bezahlt genug.
«Hast du eigentlich das Geld vom Wickerl noch gekriegt?» Meine Frau kennt meine Schwächen. Bevor ich zu stottern anfange, übernimmt das die Isetta. Wir schaffen mit Ach und Krach den Berg beim Schmalzhof hoch. Kurz vor einem rasant entgegenkommenden Lastwagen biegt Sophie auf den Landwirtschaftsweg. Mit geschlossenen Augen kralle ich mich an der Rückenlehne fest. Auf den letzten Metern wippen wir synchron nach vorne, um nicht wieder zurückzurollen. Knapp gelingt es. Die Isetta ruckelt über den Buckel und tut keinen Mucks mehr.
«Das auch noch», sagt Sophie.
Einen Traktor und meine Landmaschinen kann ich freilich in alle Einzelteile zerlegen und krieg sie auch hinterher wieder zusammen. Dabei bleibt meist zwar ein Teil übrig, aus dem ich dann was Neues bastle, einen Staubsauger, eine Zentrifuge oder auch nur einen Klopapierhalter, und wir haben wieder was gespart. Bei Autos indes muss ich kapitulieren. Doch nachschauen tue ich natürlich. Ich klappe die Frontscheibe hoch, steige aus und sperre den Motordeckel auf, der sich bei der Isetta an der Seite befindet. «Das ist nicht das Kühlwasser. Ich glaub, jetzt haben wir einen Kolbenfresser gefahren.»
«Ja, und was heißt das jetzt?» Sophie steigt aus.
«Erst mal, dass wir zu Fuß heimgehen können, außer du magst hier warten, bis ich mit dem Tiger zurück bin.»
«Ich geh mit dir mit.» Sie nimmt meine Hand.
«Sag mal, was ist denn mit dir los?» Ein bisschen verdattert bin ich schon. «Du bist so gut aufgelegt.»
«Wieso, bin ich sonst schlecht aufgelegt?»
«Nein, ich hab gedacht, ich krieg einen Riesenanschiss, und jetzt geht auch das Auto nicht mehr, und du bist trotzdem nicht grantig.»
«Mei, Muggerl.» Sie streckt einen Arm aus und krault mir den Kopf, dass ich schnurren könnte, wenn ich’s könnte. «Was passiert, passiert eben.»
Ihr Handy klingelt, sie schaut auf das Display, gar nicht unerfreut. «Der Schubert, ich muss drangehen, ich hab schon auf seinen Rückruf gewartet. Dann geh du doch vor, ich bleib so lange hier.» Ich zögere. Kann ich sie mit ihrem Exkollegen von der Drogenfahndung allein lassen? So wie sie das kleine Kästchen mit seiner Stimme drin gestreichelt hat, wer weiß, was er mit ihr bespricht. Aber es hilft alles nichts, ich muss heim, damit was vorwärtsgeht. Er ist nicht der Einzige, der mir
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