Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
schwitzigen Fingern drücke und wische ich, wie es mir der Xand gezeigt hat, und gelange tatsächlich zu einem kleinen grünen Telefonhörer. Ich fühle mich wie der erste Russ beim Raketenstart, als ich der Sophie ihre Nummer eingebe. Früher hast du ein Fräulein vom Amt um Weiterleitung bitten müssen, heutzutage musst du ein Fingerakrobat sein, damit deine Stimme rauskommt, wo du sie hin haben willst.
«Allo?» Ein Wunder, meine Liebste ist dran. Ihr verschlucktes H würde ich überall rauskennen.
«Stell dir vor …», platze ich heraus. «Zwischen der Christl ihren Kristallen liegt Crystal.»
«Was? Jetzt mal langsam, der Reihe nach.» Und ich erzähle ihr alles, was ich gesehen hab, und überhaupt. Fast komme ich nicht zum Luftholen und kriege prompt einen Hustenanfall.
«Papa, wo sind wir?» Die Emma kriecht aus der Kiste. Ein Glück, dass ich noch nicht losgefahren bin.
Ich klopfe mir selbst auf den Rücken und komme wieder zu Atem. «Wir … sind noch … im Dorf. Komm besser … auf den Sitz neben mich.» Sie klettert nach vorne.
«Geht’s wieder?», fragt die Sophie, nachdem ich mich wieder einigermaßen gefasst hab. «Ich bin sowieso im Aufbrechen, lass uns zu Hause weiterreden. Nichts überstürzen, Muggerl, die Christl haut schon nicht ab. Sich in Ruhe schicken ist doch dein Motto, oder hast du das vergessen?»
Sie hat recht, mein Hirn fährt seit Tagen Karussell mit mir, als wäre nicht meine Frau, sondern ich auf dem Frühlingsfest gewesen. Außerdem bin ich ausgehungert wie ein W…, nein, nicht der schon wieder. Jetzt schleicht der sich auch noch in meinen Magen hinein, von den Gedanken ganz zu schweigen. Ich schnalle die Emma auf dem Beifahrersitz an und drücke den Startknopf. Der Tiger rumpelt los.
Emil hockt im Wohnzimmer, rotzt und heult und erinnert mich an die tränenreiche Sophie, ein Häufchen Halbritterelend, das im Sofaeck kauert.
«Was hast du?» Erst dann bemerke ich, dass er keucht und kaum noch Luft kriegt.
«Hast du wieder Asthma?»
Emil nickt. «Es ist wegen der Amrei», flüstert mir die Emma ins Ohr. Ich renne in die Küche zum Rotkreuzschrankerl und suche seine Medizin, spüle den Inhalator, fülle ihn mit Salzwasser und den entzündungshemmenden Mitteln. Ich dachte wirklich, die Asthmazeit hätten wir überstanden. Seit Emil drei ist, leidet er an Hausstauballergie, konnte keine Kissenschlacht mitmachen oder im Wäscheberg nach Socken wühlen. Wie viele Nächte hab ich, wie der Chiller, nach Katzenart nur halb geschlafen, damit ich höre, ob der Bub Luft kriegt oder überhaupt noch atmet.
Als Emil inhaliert und seine Atemnot sich langsam legt, frage ich ihn, ob was mit der Amrei war. Er schüttelt den Kopf. Wie soll ich das jetzt deuten, mich nicht einmischen, weil’s mich nichts angeht, oder es war nichts los? Die Emma hat doch noch nie mit ihren Weissagungen danebengelegen.
«Er erzählt es nachher», sagt sie und holt aus ihrem Rucksack ihr Werk, das sie in der Textilstube gebastelt hat. Ein kleines Täschchen, die Klappe ist ein Katzenkopf, die Schnurrbarthaare sind aus Pfeifenputzern, und unten wedelt sogar ein Katzenschwanz. «Hier, Papa, für dein Handy.»
Woher weiß sie …? Ich hab das Handy samt Schachtel noch auf dem Tiger. Ich hole es schnell. Filz-Chiller, Emmas Geschenk, umhüllt es wie eine zweite Haut. Total gerührt umarme ich meine Tochter.
«Der Xand hat mir das Teil aufgeschwatzt, sogar die Schafe könnte ich damit überwachen, meint er.» Auch wenn mir immer noch nicht ganz wohl dabei ist, dass ich jetzt jeden Ausfallschritt meiner Tiere kontrollieren kann, interessiert es mich, ob so was überhaupt funktioniert.
Emil, den Schlauch im Mund, nimmt mir das Handy ab und wischt darauf herum. «Was für einen Klingelton willst du?» Er hält mit dem Inhalieren kurz inne. Äh, Klingelton? Daran hab ich gar nicht gedacht. Gestern hab ich noch dem Bürgermeister Vorschläge gemacht, jetzt bin ich selbst dran. Kreissäge, Sirene oder Kirchenglocke?
«Ach, ich nehm dir später was auf, ja?», schlägt Emil vor und inhaliert weiter.
«Pfundig.» Ich überlasse ihm das Teil und überlege, was ich kochen könnte. Nudeln oder Kartoffeln? In der Kiste im Keller, wo ich mit der Taschenlampe reinleuchte, dümpeln noch ein paar Erdäpfel vom letzten Jahr vor sich hin und schauen mich aus tausend Augen an. Ich erlöse sie von ihrem erdigen Dasein. Wie aus Gummi sind sie, kaum dass ich die Schale runterbringe. Halbwegs kriege ich eine
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