Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
hätte zwei oder drei oder hundert Badehosen übereinander anziehen können, es hat sich trotzdem was gerührt. Bei ihrem heutigen Anblick rührt sich nur Mitleid in mir. Ihren Spitznamen hat die Christl übrigens nicht wegen dem Laden, ihren Klunkerfundus betreibt sie erst sein eineinhalb Jahren, nachdem es mit der Ich- AG in der Edelsteindiagnostik nicht geklappt hat. Einst gehörte sie zu den begehrtesten Mädchen der Pöckinger Schule, und jeder Bub wollte mit ihr gehen, wie das zu unserer Zeit noch geheißen hat, wohin auch immer. Jedenfalls hat sie ein Haufen Kettchen geschenkt gekriegt. Von oben bis unten behängt war sie bald, und sämtliche Kaugummiautomaten im Landkreis waren leer geräumt. Abgedüst ist sie dann aber mit einem fünfzehnjährigen Mofahengst. Wir durften nur noch sehnsüchtig in die Auspuffgase schauen. Na ja, auch die Schönen verwelken und verpickeln. Die Christl hat damals als eine der ersten gelichtelt, wie wir das Rauchen früher genannt haben. Ob es bei einfachen Zigaretten geblieben ist, als sie zur Bewusstseinserweiterung mit dem Schwabinger Bus angeblich bis nach Indien getingelt ist, weiß ich nicht. Ist alles endlos her. Entweder kriegen solche weiblichen Augenweiden keinen Ehemann ab, weil sie schon alle gehabt haben, oder sie müssen die nehmen, die seit Ewigkeiten im Angebot sind, wie der Wolfi. Hartnäckig ist er, das muss ich ihm zugestehen. All die Jahre hat er also laut Seniorengerede weiter an die Klunkerchristl hingebaggert.
Ich dagegen muss mich beherrschen, ihre Bussispucke nicht sofort abzuwischen. Wenn die Emma nicht so selig schlummern tät, würde ich meinen, die Windpocken sind aus der Traktorkiste rausgesprungen und auf die arme Frau drauf. Hoffentlich erbt die Amrei diese Pickerlzucht nicht. Ich weiß gar nicht, ob die Christl das zwischen ihrer Tochter und meinem Sohn weiß, aber sie kommt mir zuvor.
«Mitakwe Oyasin», sagt sie.
«Aha», erwidere ich. Die immer mit ihrem esoterischen Schmarrn.
«‹Verwandt sind wir alle› heißt es bei den Lakota Sioux, und wir beide ganz besonders.» Nicht gerade ein Perlweißlächeln bietet sie mir, eher ein Kautabakgrinsen, was mich an den Wickerl erinnert, der auch bald auf Suppe hätte umsteigen müssen. «Der Emil und die Amrei, ich freu mich für die zwei.» Sie kratzt an einem Wimmerl in der Ellenbeuge.
«Ich mich auch», stimme ich zu. Nächstes Mal bringe ich ihr was von der juckreizlindernden Milch mit, die der Emma so geholfen hat.
«Was kann ich dir Gutes tun? Möchtest du deiner Frau was Nettes schenken?» Beim Reden schaut sie mir weder in das rechte noch linke Auge, sondern auf die Stirn, als hätte ich auch so ein aufgemaltes drittes Auge wie sie, so einen indischen Punkt, den sie mit einem lila Schminkstift eingekreist hat, damit er sich von den anderen Pusteln abhebt. Gute Idee, daran hab ich gar nicht gedacht. Wenn ich schon ein vollelektronisches Wischteil kriege, soll meine Liebste einen Klunker haben. Ich nicke und folge ihr in die in eine Glitzerburg verwandelte Exmetzgerei. Ein Hauch Blut- und Leberwurstgeruch steigt mir in die Nase, wie ich an den Regalen voller Schmuck und Tüchern entlangstreife. Schlachtschüsselgeschmack. Ich überlege, was der Sophie gefallen könnte. Mein Blick fällt auf den Tisch, auf dem eine Baumwurzel mit draufdrapierten Halbedelsteinen liegt. Zwischen Meeressand und Seestern sind noch ein paar Kristalle in Tüten gehüllt, so als wäre die Christl mit der Dekoration nicht fertig geworden. Als hätte ich nichts gesehen, entscheide ich mich für einen roten Schal mit kleinen Totenköpfen drauf, das scheint mir elegant genug für eine Mordkommissarin. Die Christl packt mir noch ein paar Ladenhüter dazu, aus denen die Emma vielleicht was basteln kann. Wenn nicht, füllen wir damit die Blumenbeete auf. Jedenfalls verlasse ich mit einer Riesentüte Klunkern das
Chakra
. Die Emma schläft immer noch, wie ich auf den Traktor steige. Bevor ich den Tiger starte, halte ich inne. Mir wird heiß und kalt zugleich. Nicht mit mir! Mir macht keiner mehr was vor, ich hab’s gesehen, auch ich kann eins und Dings zusammenzählen.
So schnell wie möglich muss ich schauen, dass ich die Sophie erreiche. Gefahr im Zug oder wie das heißt. Obwohl ich kaum glaube, dass die Christl jetzt zur S-Bahn runterrennt und abhaut. Vielleicht funktioniert das neue Handy bereits, und es reicht für ein ganz kurzes Gespräch? Ich muss es probieren. Mehr wie Funkstille kann nicht herauskommen. Mit
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