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Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Titel: Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ida Ding
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damit er nicht noch ein Klofräulein hinstellen muss. Bevor ich aufs Chemieklo gehe, das im Oberdorf steht, wo mit vorgerückter Stunde geschätzte zweitausend andere ihre Flüssigkeiten abgelassen haben, schwitze ich es lieber raus. Einen Baum gibt es nicht in der Nähe, auch keine Büsche. Ich könnte es bei der Friedhofsmauer versuchen, dabei muss ich an mindestens weiteren zwanzig Tischen vorbei und werde vor lauter Krankheitsgeschichten und Fragereien in die Hose pieseln. Dann eben hintenherum, die Hindenburgstraße hinunter, an der Textilstube vorbei. Auch wenn’s der längere Weg ist, fast könnte ich zu Hause aufs Klo gehen. Aber vielleicht finde ich vorher eine Hecke, an der ich mich erleichtern darf. Leicht gesagt, die Idee scheinen mehrere zu haben. Morgen wird die Straßenreinigung den Teer in Pöcking umdrehen müssen, ausnahmsweise sind es dann nicht die fahrlässigen Hundebesitzer gewesen, die die Scheißbeutel ihrer Lieblinge über die Gartenzäune geworfen haben, weil die Manteltaschen voll waren.
    «Einstechen», ruft die Berta, nein, die Erna, wie ich an der Textilstube vorbeikrümme. Ich drehe mich zur Seite.
    «Faden holen.» Keine von beiden ist zu sehen.
    «Durchziehen.» Täuschend echt imitiert der Schorschi bereits die Fistelstimmen der Zwillinge, die ihn in Pflege genommen haben, weil Christls Vater eine Katze hat. Ausnahmsweise waren sich die Textilschwestern mal einig. Nur als es darum ging, auf welcher Seite ich gestern die Voliere anbringen sollte, haben sie wieder gestritten. Schließlich habe ich das Netz gleich bei der Eingangstür aufgehängt, mit einem Schlupfloch zur Woll- und einem zur Stoffseite des Ladens. Auch wenn die ein oder andere Kundin jetzt vielleicht gezwickt wird, der Schorschi ist vor Wind und Wetter geschützt und kriegt alles mit, das ist die Hauptsache.
    «Häkeln kann ich, wenigstens heiße Luftmaschen», erkläre ich dem Raben kurz und will mich weiter vorwärtsdrücken, da fällt mir der Kirchbach Gretl ihr Rollator auf, der halb im Gebüsch steht. Ich schiebe ihn zurück auf den Bürgersteig und werfe einen Blick in die Pommesstranitze, die sie im Körbchen vorne drin hat. Als würde mir das, was sie mir geschildert hat, noch mal in echt vor Augen geführt. Ein zweifarbiges Bonbon liegt darin, in Zellophanpapier eingewickelt. Ich nehme es heraus und halte es gegen die Straßenlaterne. Es schimmert halb blau, halb weiß, in Rauten. Ich fang an, es auszupapierln, und schnuppere daran. Fruchtig riecht es nicht gerade. Kunstvoll gefärbter Kandiszucker, hätte ich noch vor ein paar Tagen gedacht, wenn ich es inzwischen nicht besser wüsste.
    «Finger weg, lass meine Sachen in Ruh!» Die Gretl eilt über die Straße vom
Schaumichan
und entreißt mir mit einem zackigen Griff das Bavariazuckerl oder wie auch immer du das Erzeugnis nennen willst. Hastig steckt sie es in den Mund. Ohne mich weiter zu beachten, schlurft sie, laut schmatzend, mit ihrem Rollator, gebrechlich wie gewohnt, in Richtung Lange Tafel. Ich sehe ihr nach, und meine alten Zweifel kochen wieder in mir auf., ha, die Alten wollen mich für dumm verkaufen! Meine Blase meldet sich zurück, als hätte sie sich für ein paar Minuten selbst verzwickt. Mit kurzen Schritten arbeite ich mich weiter voran, biege endlich in den Piusweg ein. Dort, hinter der Post, der ehemaligen Milchzentrale, wo die Pöckinger im vorigen Jahrhundert noch frische Milch von den Bauern aus dem Dorf, aus einer Pumpe gezapft, kaufen konnten, beginnt die Friedhofsmauer. Wenn ich schon nicht balancieren darf, dann will ich wenigstens einmal hinpieseln. Die Anwohner in den Häusern neben dem Friedhof werden hoffentlich alle auf der Langen Tafel sein, und keiner wird mich bemerken. Ich schleppe mich noch etwas weiter weg von der Straße, um die Kurve bis zum Maibaum. Mit dem Rücken zur einzigen Straßenlaterne öffne ich das Hosentürl und warte. In der Öffentlichkeit, nebeneinander auf einem Männerklo, das ist nicht so meins. Schon als Kind hab ich mich nie für den richtigen Baum entscheiden können, lieber gesucht und gesucht, bis es zu spät war. Also dauert es auch jetzt, bis es richtig fließt. Aber nun hab ich doch Zeit, und keiner stört mich, rede ich mir ein. Versuche mich zu entspannen und die Aussicht von hier über den Friedhof zur festlichen Dorfstraße hinauf zu genießen. Und lausche den gedämpften Tönen der Bluesband von der einen und der Blasmusik von der anderen Seite. Vereinzelt flackern Lichter auf den

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