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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hendrikje«, schnauft die Palmenberg ungehalten, »das kann sich doch jedes Kind an drei Fingern abzählen! Paula wird
     in ihre Wohnung geschlichen sein, die, wie Sie ganz zu Recht vermutet hatten, wegen der ein- und ausgehenden Handwerker offen
     stand. Sie hat es auch unbemerkt in Ihr Schlafzimmer geschafft, wo sie, peinlich darum bemüht, nicht schon wieder einen Fehler
     zu machen, zuerst das Schmuckkästchen an sich nahm. Da hat wahrscheinlich der Handwerker X, der, von dem Sie noch gelogen
     haben, er hätte eine Liebesnacht mit Ihnen verbracht, was gemerkt. Er ist in die Küche gegangen und hat zu Lisa, Ernst und
     Sophie, die natürlich nach dem Vorfall in Schleswig-Holstein unzertrennlich |133| waren, gesagt: ›Ich glaub, da ist jemand im Schlafzimmer‹, und dann haben die nachgeguckt und Paula festgehalten. Ganz einfach.«
    »Ja, aber«, flennt Hendrikje, weil sie die plötzlich aus der Palmenberg hervorbrechende Aggression überhaupt nicht begreift,
     »Paula wusste doch, dass sie trotzdem, auch wenn so was passiert, nicht sagen sollte, dass sie mich kennt und dass ich sie
     geschickt habe.«
    »Gott, Hendrikje, Sie nerven mich, ehrlich. In dem Augenblick, wo Ernst, Lisa und Sophie Paula mit dem Schmuckkästchen in
     der Hand gesehen haben, das so gezielt am richtigen Ort gesucht und gefunden wurde, wussten die doch von selbst, dass Sie
     Paula geschickt haben! So. Die halten Paula fest. Paula will sich losmachen, aber die sind zu dritt. Dann sind die natürlich
     schlau und geben sich sanft und freundlich. Haben in kürzester Zeit – eben wegen des Schmuckkästchens – aus Paula herausgepresst,
     wer sie geschickt hat. Paula verrät aber immer noch nicht, wo Sie sind, bis die ihr klar machen, dass sie in Ihrer Gegenwart
     in Lebensgefahr ist.«
    »In Lebensgefahr?!«
    »Ja. Die drei erzählen Paula, dass Sie Holger umgebracht haben und deswegen auf der Flucht sind.«
    »Und wieso sollte Paula denen so was glauben?«, fragt Hendrikje empört.
    »Na, unter anderem, weil die allerersten Worte, die Sie zu Paula sagten, als Sie sie im Abbruchhaus zufällig wiedertrafen,
     ›
Ich könnte dich umbringen‹,
waren! So. Paula kriegt Angst. Ernst, Lisa und Sophie wirken freundlich und scheinen nur ihr Bestes zu wollen. Sie führt die
     drei ins Abbruchhaus, in dem die anderen sich nicht auskennen. Paula bereut vielleicht jetzt, dass sie die Leute hergebracht
     hat, und rennt vor, um wenigstens als Erste bei Ihnen zu sein. Was aber |134| hört Paula als Erstes, als sie dann endlich im Türrahmen steht? Sie hört, wie Sie sich über eine Zeile von Sugar Brown kaputtlachen:
die, die einen stören, für eine Weile erschießen
!
Haha, wie komisch, kicher kicher. Da schließlich ist Paula endlich restlos davon überzeugt, dass Ernst, Lisa und Sophie recht
     hatten, als sie ihr sagten, sie sei in Lebensgefahr bei Ihnen, und ist froh, dass sie die Leute hergebracht hat, die mittlerweile
     ihren Weg auch von allein gefunden haben und nun ebenfalls in der Tür stehen.«
    Hendrikje ist kreidebleich geworden. So hat sie die Palmenberg ja noch nie erlebt. Sie nickt langsam. »Ja, klar … so könnte
     es gewesen sein …«
    »Ich war nicht mit dabei, aber ich denke, dass es so oder so ähnlich gewesen sein muss.«
    Hendrikje guckt die Palmenberg mit erschrockenen Augen an: Wieso ist sie nicht selbst darauf gekommen …? Paula hatte einfach
     die Nerven nicht, völlig logisch. »Ja, Paula hatte einfach die Nerven nicht. Was hätte ich aber Ihrer Meinung nach tun sollen?
     Hätte ich selber in die Wohnung gehen sollen?«
    »Nein, sicher nicht. Sie wussten ja, dass das gefährlich sein könnte, und da haben Sie gedacht, es ist viel sicherer, ein
     kleines durchgedrehtes Nervenbündel hinzuschicken. Sie hätten in der Tat zur Polizei gehen müssen, warum haben Sie das nicht
     getan?«
    »Weil ich wusste, dass ich Holger umgebracht hatte. Vielleicht nicht im juristischen Sinn, aber in meinem Sinn.«
    »Ach, so sehen Sie das. So gesehen kann ich Ihnen da Recht geben. Sie mochten Holger?«
    »Und wie! Er war lieb, er war einfühlsam, er ist ein zauberhafter Zuhörer gewesen, er war für einen da, wenn man ihn brauchte
     …«
    »Und warum haben Sie ihn dann verachtet?«
    |135| »Verachtet? Ich habe doch Holger nicht verachtet!«
    »Natürlich haben Sie das. Er war der Einzige, der wenigstens ganz leise kundtat, dass er die Aktion nicht gut fand, hat sich
     aber irgendwie überreden lassen mitzumachen. Der klassische Mitläufer,

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