Henker-Beichte
war das Gespräch beendet, und ein sehr nachdenklicher Abbé Bloch blieb auf der Kante seiner Liege sitzen. Er hatte die Stirn gerunzelt und hing bestimmten Gedanken nach. Er überlegte, ob der Fall so schwerwiegend war, eine weitere Person mit einzubeziehen.
Dieser Jemand lebte nicht in Frankreich, sondern in London. Er gehörte zu den besten Freunden des Abbés. Mit Tatsachen konnte Bloch noch nicht aufwarten, doch er hatte ein gewisses Gespür und ging davon aus, daß der Anruf aus Paris eine Lawine ins Rollen gebracht hatte. Bevor die alles verschüttete, wollte er Gegenmaßnahmen ergreifen, und er wählte deshalb eine bestimmte Nummer in London, wie er es schon öfter getan hatte…
***
Suko hatte mich zwar nicht gerade für verrückt gehalten, war allerdings auch nicht begeistert gewesen, als ich ihn von meiner bevorstehenden Reise in Richtung Frankreich informierte und ihm auch den Grund nannte.
»Glaubst du dem Abbé?« wollte er wissen.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht.«
»Mal wieder das Gefühl?«
»So ähnlich.«
»Ihr habt aber beide nichts Konkretes in der Hand. Ein Mann, der von einem Beil verfolgt wird, das aus dem Nichts entsteht… Ist das nicht zu weit hergeholt?«
Ich schaute meinen Freund an und verdrehte die Augen. »Suko, ich weiß nicht, was du hast. Erinnere dich daran, wie oft wir das schon gedacht haben, dann haben sich die Dinge plötzlich zu einem Wunderwerk des Grauens entwickelt. Der Abbé hat mich gerufen, und er hat es sicherlich nicht grundlos getan, wie ich ihn kenne.«
»Das weiß ich auch. Aber diesmal hat er nichts in den Händen gehabt. Er ging nur seinem…«
»Schon gut, schon gut, Suko, du schaffst es nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Und wenn wirklich nichts ist, dann habe ich zumindest einem Freund guten Tag gesagt und werde im Refugium der Templer-Brüder etwas Ruhe haben.«
»Stinkt dir London?«
»Hin und wieder.«
»Mal hören, was Glenda und Jane dazu sagen.«
»Du brauchst es ihnen ja nicht unbedingt unter die Nase zu reiben.«
»Das muß ich mir noch überlegen.«
Auf jeden Fall war ich von London nach Paris geflogen und wartete nun auf die Maschine nach Toulouse, zusammen mit anderen Passagieren hielt ich mich im Warteraum auf.
Bis zum Abflug hatte ich noch mehr als eine halbe Stunde Zeit und hatte es mir bequem gemacht. Mit großem Gepäck war ich nicht geflogen.
Neben mir stand eine große Aktentasche, die neben den Toilettenartikeln noch genügend Platz für ein Hemd und eine Ersatzhose bot. Die Tasche ging als Bordgepäck durch. So erübrigte sich für mich ein langes Warten am Gepäckband.
Ich nahm mir die Zeit, die eintretenden Fluggäste zu beobachten und hing mit meinen Gedanken dem Gespräch nach, das ich mit dem Abbé geführt hatte.
Ich wußte im Prinzip, um was es ging. Der im Mittelpunkt stehende Mann hieß Auguste Cresson. Er war mir auch von meinem Freund Bloch beschrieben worden. Viele Maschinen flogen nicht gerade nach Toulouse, so rechnete ich damit, daß wir uns möglicherweise in derselben Maschine befanden. Das wäre prima gewesen, denn von meiner Existenz ahnte Cresson natürlich nichts. Ich behielt den Eingang im Auge, aber bisher war noch niemand eingetroffen, der dem großen Mimen Jean Gabin ähnelte.
Die meisten Passagiere zählte ich vom Outfit her zu den Geschäftsreisenden. Nahe Toulouse lag das Zentrum der europäischen Luftfahrtindustrie, und dorthin ›pilgerten‹ viele Firmenrepräsentanten.
Ich streckte die Beine aus. Einen Kaffee hatte ich schon getrunken, wollte keinen zweiten und entspannte mich. Ich freute mich auf den Abbé. Er, meine Freunde und ich, wir waren ein Team, das zahlreiche Gefahren zusammengeschweißt hatte.
Außerdem stand bei ihm noch der Knochensessel. Ihn wollte ich auch gern wiedersehen. Ich hoffte noch immer darauf, dank seiner Hilfe eines Tages die Nebelinsel Avalon zu erreichen, wo ich dann endlich wieder Nadine Berger traf, die dort ihr Glück gefunden hatte.
Das war Zukunftsmusik, ich mußte mich mehr mit der Gegenwart beschäftigen, und die holte mich plötzlich ein, als ich den Mann mit der abgeschabten Reisetasche in den Warteraum eintreten sah.
Das mußte Auguste Cresson sein!
Dieser Mann bewegte sich sehr unsicher. Er kam mir beinahe vor wie jemand, der zum erstenmal flog und dabei Furcht vor seiner Reise hatte.
Er ging noch nicht weiter, blieb stehen, hielt seine Tasche dabei krampfhaft fest und schaute sich um.
Wahrscheinlich suchte er nach
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