Henker-Beichte
den Korb griff. Er riß die Rotweinflasche hervor und schleuderte sie noch aus seiner gebückten Haltung gegen den anrennenden Apachen.
Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch Können. Jedenfalls erwischte die volle Rotweinflasche genau den Schädel des Mannes. Das dumpfe Geräusch des Aufpralls hörte Auguste, und er sah auch zu, wie der Typ fiel, als wären ihm die Beine unter dem Körper weggerissen worden.
Er landete auf dem Rücken, stieß sich dabei hart den Hinterkopf und verabschiedete sich für eine Weile.
Der dritte Apache kriegte das große Hosenflattern. Er ließ den Pfarrer los und rannte weg, als wäre der Teufel mit einer Horde Dämonen hinter ihm her.
Cresson schaute auf die Rotweinlache und die Scherben, die sich auf dem Boden verteilten. Dann nahm er seine Korbtasche wieder hoch und trat auf den Fremden zu.
Es war ein weißhaariger Mann mit einem sehr klaren Blick in den Augen.
»Es hat wohl sein müssen«, sagte Cresson. »Kommen Sie, ich bringe Sie von hier weg.«
»Aber sie werden doch überleben?«
»Das denke ich schon. Sie sind wie Raubtiere, die im Dschungel der Großstadt ihre Nahrung finden. Sie haben es auch gelernt, ihre Wunden zu lecken. Im Prinzip sind sie mir ja egal, nur hasse ich ungleiche Verhältnisse.«
»Merci, Monsieur.«
»Keine Ursache. Kommen Sie.« Cresson kannte sich aus. Er führte den Geistlichen, so sah er seiner Kleidung nach zumindest aus, durch eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern der gegenüberliegenden Seite auf einen Hinterhof, in dem Wäsche zum Trocknen aufgehängt war, und dann durch eine weitere Gasse wieder auf eine Straße, in der das Leben pulsierte.
»Darf ich Sie denn einladen, Monsieur? Ich bin Abbé Bloch.«
»Oh – ein Pfarrer.«
»So ähnlich. Stört Sie das?«
»Kaum, sonst hätte ich Ihnen nicht beigestanden.«
»Apachen?« Bloch krauste die Stirn.
»So werden die Typen genannt.«
»Gab es die nicht schon mal in Paris?«
»Ja, das ist aber lange her.«
»Ich war noch ein Kind«, erklärte der Abbé.
Die beiden so unterschiedlichen Männer betraten ein kleines Bistro, in dem Auguste bekannt war und auch mit Vornamen begrüßt wurde.
Sie setzten sich an einen freien Tisch, wo der Abbé meinte, daß er zwar jetzt den Vornamen wüßte, aber nicht den Nachnamen.
»Ich heiße Auguste Cresson.«
»Aha, dann habe ich wenigstens den Namen meines Retters erfahren.«
Bloch hob die Schultern. »Es ist wohl meine Schuld, daß ich in diese Lage hineingeraten bin. Ich habe mich verlaufen. Ich war in Gedanken. So ist das eben.«
Der Patron stand am Tisch, und seine dunklen Augen stellten stumme Fragen.
»Was nehmen Sie, Auguste?«
»Einen Roten.«
»Für mich auch, bitte.«
»Gut, zwei Rote.«
Der Patron verschwand und gab einer Kellnerin die Anweisung, beide Männer zu bedienen.
Der Wein stand schnell vor ihnen. Sie prosteten sich zu, und der Abbé bedankte sich noch einmal für seine Rettung, was Auguste peinlich war.
Er bekam sogar einen roten Kopf.
»Hier mag man wohl keine Priester«, sägte Bloch, als er das Glas auf den runden Tisch stellte.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Nun ja, Sie haben mit unserem Beruf oder unserer Berufung auch nicht eben viel am Hut, wie ich Ihren Worten vorhin entnehmen konnte.«
»Das kommt Ihnen nur so vor.«
»Wirklich?« Bloch war skeptisch.
Auguste strich über sein Gesicht. »Ich bin kein Kirchgänger. Ich habe auch mein Leben gelebt und nicht eben nach den Gesetzen der Kirche.«
Er grinste, als er an seine Vergangenheit dachte.
»Die eine Tat hat gereicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie gleicht vieles aus.«
Cresson wußte nicht, ob der Mann es ihm gegenüber ehrlich meinte. Er schaute in dessen Gesicht und entdeckte weder darin noch in den Augen irgendwelchen Argwohn. Dann dachte er wieder an seine Vergangenheit und schüttelte den Kopf. »Für mich nicht.«
»War es so schlimm?«
Auguste hob sein Glas an und schaute in das Gesicht des Abbés. »Oui, sehr schlimm.«
»Möchten Sie darüber sprechen?«
Cresson leerte das Glas und schüttelte den Kopf. »Nein, besser nicht, Abbé.«
»Das akzeptiere ich. Es ist Ihre Sache. Aber ich möchte Ihnen trotzdem etwas sagen.«
»Bitte.«
»Wir kennen uns noch nicht lange. Wir sind sicherlich unterschiedlich, aber trotz aller Differenzen stehe ich in Ihrer Schuld, und das werde ich nicht vergessen.«
»Das ist Quatsch.«
»Für mich nicht.«
»Wie Sie wollen.«
»Deshalb möchte ich Ihnen vorschlagen, daß Sie sich
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