Henker-Beichte
schweres Atmen.
Ich schaute zu meinem ›Schützling‹ hin. Cresson bewegte sich ziemlich unruhig. Er ruckte auf seinem Sitz von rechts nach links, schaute mal zur Decke, dann zum Fenster hin und in den Gang, und er machte alles in allem den Eindruck eines Menschen, der schon unter Druck stand oder unter Flugangst litt. Letzteres konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen, es schien der Druck zu sein. Plötzlich stand er auf.
Er war förmlich in die Höhe geschossen, als hätte jemand mit einer Nadel in seinen Allerwertesten gepiekt. Er drehte sich um. Ich sah den Schweiß auf seinem Gesicht, den geöffneten Mund, aus dem nur ein Keuchen drang. Der Stewardeß war nichts aufgefallen, sie hatte sich hinter den Vorhang verzogen, aber Cresson senkte den Kopf und starrte mich mit einem irren Blick an.
»Was haben Sie?« fragte ich.
Er beugte sich vor und umklammerte mit einer Hand den oberen Rand eines Sitzes. »Er ist da!«
Sein Verhalten war den anderen Passagieren nicht verborgen geblieben.
Einige von ihnen hatten ihre Sitzposition verändert und schauten in die neue Richtung.
»Wer ist da?« fragte ich gerade so laut, daß mich der Mann verstehen konnte.
»Der Rächer!«
»Wo?«
»Weiß nicht!« Er hatte wieder geantwortet, dann zuckte er vor mir zurück. »Verdammt, was sage ich da? Was spreche ich überhaupt mit Ihnen, einem Fremden?«
»Weil es gut für Sie ist, Monsieur Cresson!«
Die Antwort hatte gesessen. Als er seinen Namen aus dem Mund eines Fremden hörte, zuckte er zusammen, als wäre er mit einer Peitsche geschlagen worden.
Ich wußte, was er fragen wollte, aber er bewegte zunächst nur seinen Mund. Dann klang es aus ihm hervor. »Sie… Sie… kennen meinen Namen, Monsieur?«
»Sicher.«
»Wieso?«
»Wollen Sie sich nicht erst mal setzen?« Ich erhob mich und rückte einen Platz weiter, wieder hin zum Fenster, damit der Mann neben mir sitzen konnte.
Noch zögerte er. Er war sich unschlüssig. Sein Blick zeigte die reine Panik. Er mußte etwas gesehen und gespürt haben, was mir verborgen geblieben war. Ich wollte es ihm erleichtern und erklärte ihm, daß wir einen gemeinsamen Bekannten hätten, zu dem ich ebenfalls unterwegs war.
»Wieso?«
»Abbé Bloch!«
Cresson schnaufte. Dann blickte er sich um, als wollte er sichergehen, daß mich auch niemand gehört hatte. Er beugte den Oberkörper nach vorn und machte zwei tappende Schritte. »Hören Sie, Monsieur…«
»Sinclair, John Sinclair.«
»Kein Franzose?«
»Engländer, aber bitte, nehmen Sie doch Platz. Der Abbé hat mich Ihretwegen alarmiert.«
Das mußte er erst mal verkraften. Wie eine Schlange wand er sich auf den freien Sitz zu. Er stand unter Strom. Schweiß perlte auf seiner Stirn.
Als er neben mir saß, preßte er die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Fühlen Sie sich jetzt besser?« erkundigte ich mich.
»Nein.«
»Was ist der Grund für Ihr ungewöhnliches Verhalten?«
»Sie haben gut reden. Mein Verhalten ist gar nicht so ungewöhnlich, denn er ist noch immer da.«
»Von wem reden Sie?«
»Ich meine den Feind!«
»Den Rächer?«
»Ja.«
»Den haben Sie gesehen?«
Zuerst schluckte er, dann sah ich ihn heftig nicken. »Der Feind ist hier. Ich kann ihn spüren, aber nicht sehen. Ich weiß es nicht. Er kann sich hinter jedem Gesicht verbergen, auch hinter dem Ihrigen Monsieur Sinclair.« Er drückte sich zur Seite, als wollte er bewußt von mir Abstand gewinnen.
»Nein, nein, Sie brauchen keine Sorgen zu haben.« Ich holte meinen Ausweis hervor und ließ ihn lesen.
»Sie sind Polizist, nicht?«
»Scotland Yard.«
Cresson schien beruhigt zu sein. »Und der Abbé hat Sie tatsächlich informiert. Das alles wegen mir?«
»So ist es.«
»Mein Gott.« Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht glauben. Was hat er Ihnen denn alles gesagt?«
»Nicht mehr als Sie ihm, aber Ihre Worte müssen bei ihm eingeschlagen haben wie eine Bombe.«
»Ja, kann sein, ich habe mich nämlich auch schon gewundert, daß er mich nicht auslachte.« Er strich über seine Stirn. »Und Sie glauben mir und ihm?«
»Sonst säße ich nicht hier.«
Cresson drehte den Kopf. Starr blickte er in mein Gesicht. »Ich kann es kaum fassen«, flüsterte er. »Eigentlich müßte ich mich besser fühlen, aber ich tue es nicht. Ich habe immer das Gefühl, als würde mich die Klinge des Beils berühren.«
»Hat es Sie verletzt?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Ich übergab der Stewardeß meinen noch vollen Eisbecher und deutete auf
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