Henker-Beichte
sehr mächtig.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Ich habe lange Jahre auf diesem Kontinent verbracht.«
»Kennen Sie den Namen des Medizinmannes?«
»Nein. Ich wußte ihn mal, habe ihn aber im Laufe der Jahre wirklich vergessen. – Er kannte sich aus, hat bis kurz vor seinem Tod zahlreiche Beschwörungen durchgeführt, die mir Angst einjagten, aber es war eben mein Job, ihn zu töten.«
»Waren Sie der Henker?«
Cresson schwieg. Er deutete ein Nicken an, er stöhnte und preßte die Hände vor sein Gesicht, als schämte er sich.
»Dann haben Sie noch mehr Menschen exekutiert?«
Wieder das Nicken.
»Warum?« fragte ich. »Warum taten Sie es?«
»Man hatte mich eingestellt.« Sein Gesicht wurde zu einer Grimasse, als er den Kopf hin- und herwarf. »Quälen Sie mich nicht so, John. Ich wollte Ihnen das alles nicht sagen.«
»Das kann ich gut verstehen, nur liegt bei Ihnen der Schlüssel zur Gegenwart in der Vergangenheit.«
»Das weiß ich jetzt auch.«
»Aber der Medizinmann ist tot?«
»Ja, geköpft durch mein Beil. Nur sah ich plötzlich das Gesicht in der Scheibe. Und vor nicht allzu langer Zeit hatte ich den Eindruck, es wieder zu sehen. Flüchtig nur, aber es war da.«
»Auch in einer Scheibe?«
»Nein, diesmal nicht.«
»Wo dann?«
»Sie können mich auslachen, aber ich hatte den Eindruck, dieses Gesicht unter den Passagieren zu sehen. Ein elegant gekleideter Schwarzer mit einer Brille hat eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Medizinmann.«
»Den habe ich gesehen.«
Er krallte sich an meinem Arm fest. »Und? Was sagen Sie dazu, John? Bitte…«
»Nichts.«
»Das enttäuscht mich«, flüsterte er.
»Moment mal, Auguste. Sie müssen mich verstehen, aber für mich sah der Mann völlig normal aus, wie ein Geschäftsreisender.«
»Klar, wenn jemand damit nichts zu tun hat…«
»Wissen Sie was?« Ich lächelte ihn an. »Ich werde den Mann jetzt suchen.«
»Hinter uns«, gab mir Cresson den Tip.
»Gut.« Ich drückte mich schon hoch, aber Cresson blieb noch sitzen.
»Und was wollen Sie von ihm? Ihn ansprechen?«
»Nein, nicht unbedingt. Ich will feststellen, wie er auf meinen Anblick reagiert.«
»Wie sollte er schon reagieren? Normal, wo er Sie nicht kennt.«
»Warten wir es ab.« Ich schob mich in den Mittelgang und ging nach rechts. Da ich mich sehr langsam bewegte, schauten einige Passagiere auf. Sie nahmen mich einfach nur zur Kenntnis, ohne sich großartig zu verändern.
Den Schwarzen sah ich an einem Fenster sitzen. Er schaute hinaus und schien das Land tief unter uns mit seinen Blicken absuchen zu wollen.
Als ich in seine Nähe geriet, räusperte ich mich bewußt, was er hörte. Er drehte auch den Kopf.
Wir sahen uns an.
Für einen Moment nur, und hinter den Brillengläsern verengten sich seine Augen. »Monsieur, ist etwas?«
»Nein, nein, pardon. Ich habe mich geirrt, denn ich glaubte, in Ihnen einen Bekannten gesehen zu haben. Ein Irrtum. Entschuldigen Sie nochmals, bitte.«
»Das kann vorkommen.«
Ich kam mir etwas dumm vor, als ich wieder zurückging. Er hatte völlig normal reagiert, und von Cresson wurde ich bereits voller Spannung erwartet.
»Nun?« fragte er, als ich mich gesetzt hatte.
Ich hob die Schultern. »Es war nichts, alles normal.«
»Wie normal?«
»Seine Reaktion.«
»Ah, verstehe.« Er nickte. »Ist doch klar. Er hat sich nichts anmerken lassen.« Cresson verengte die Augen. »Das ist ein raffinierter Hund, kann ich Ihnen sagen. Der ist wie sein Vater, denn auch der hat es geschafft. Raffiniert und…« Er hob die Schultern. »Jedenfalls wird er uns nicht aus den Augen lassen. Ich bin fest davon überzeugt, daß er mich verfolgen wird. Er beherrscht das Beil. Er hat von seinem Vater den alten Zauber gelernt, ich spüre es.«
»Zunächst einmal warten wir ab.«
»Das müssen wir ja.« Auguste Cresson dachte wieder etwas normaler.
»Sie kennen sich bestimmt aus in Toulouse?«
»Wenn Sie fragen wollen, ob ich den Weg von Toulouse nach Alet-les-Bains kenne, dann muß ich Ihnen zustimmen. Ich bin die Strecke schon einige Male gefahren.«
»Gut. Ich wollte mir einen Leihwagen nehmen und…«
»Wir brauchen nur einen.«
»Bezahlen Sie ihn?«
Ich lächelte knapp. »Der Staat.«
»Das ist gut.«
Es ging ihm wieder besser, das sah ich meinem Nebenmann an. Er hatte auch wieder eine normale Sitzhaltung eingenommen, die Beine ausgestreckt und fragte dann: »Interessiert es Sie eigentlich, wie ich den Abbé kennengelernt habe?«
»Es würde
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