Henker-Beichte
auf einen Fluch hin. Vorausgesetzt, es stimmt, daß Sie das Gesicht eines Medizinmannes erkannt haben, der unter Ihrem Beil starb.«
»Ich habe es tun müssen«, sagte er leise. »Es war mein Job. Ich bin von der Legion dorthin gekommen. Es war schwer genug, da rauszukommen. Außerdem wurde ich gut bezahlt. Ich hatte alles frei und bekam noch jeden Monat eine Summe auf ein Konto in der Schweiz überwiesen. Davon lebe ich noch heute. Das Geld wird sogar bis zu meinem Lebensende reichen, denke ich mir.«
»Dann haben Sie ja vorgesorgt.«
»In dieser Hinsicht schon.« Er wechselte das Thema und wollte wissen, wie lange ich den Abbé bereits kannte.
»Oh, das sind schon einige Jahre.«
»Und Sie beide sind befreundet.«
»Das kann man sagen. Wir haben zusammen schon so manchen Fall gelöst, wenn ich mal im Polizeijargon bleiben darf.«
»Alles Fälle wie meine?«
»In der Tat.«
Über die letzte Antwort mußte der Mann erst nachdenken. Ich sah es ihm an, wie schwer es ihm fiel, damit zurechtzukommen. Schließlich meinte er: »Dann sind Sie ein besonderer Polizist, denn die beschäftigen sich sonst nicht mit derartigen Fällen.«
»Das kann man so sagen.«
»Sie glauben an das Übernatürliche?«
Ich lächelte, als ich seine Skepsis aus der Frage hervorhörte. »Ich habe tagtäglich damit zu tun. Ohne den Abbé und mich loben zu wollen, kann ich Ihnen sagen, daß wir beide für Sie genau die richtigen Partner sind. Wir werden Sie von dem Druck befreien. Von Ihrem Gewissen aber können wir Sie nicht befreien. Die Taten müssen Sie schon mit sich selbst ausmachen.«
»Das weiß ich«, flüsterte der Mann neben mir und bestätigte es durch ein schwerfälliges Nicken. »Aber es ist komisch. Früher habe ich kein Gewissen gekannt. Heute aber, wo ich älter geworden bin, holt mich meine schreckliche berufliche Vergangenheit ein. Ich… ich… habe es verdammt schwer, aber ich will mich nicht darüber beklagen. Schließlich trage ich den größten Teil der Schuld daran.«
»Es ist gut, wenn Sie es so sehen, Auguste. Dann wird es Ihnen leichter fallen, darüber hinwegzukommen.«
»Ich hoffe es.«
Toulouse und seine Umgebung lagen längst hinter uns, und auch der Verkehr dünnte allmählich aus. Wir kamen zügig voran, wobei ich durch eine bekannte Gegend fuhr und mich trotz aller Sorgen darüber freute, dem Abbé die Hand schütteln zu können.
Cressons Wachsamkeit hatte um keinen Deut nachgelassen. In jeden Wagen, den wir überholten, schaute er hinein, auf der Suche nach irgendwelchen bekannten Personen, die sich auf unsere Fersen geheftet hatten.
Er entdeckte keine bekannten Gesichter. Der Afrikaner aus dem Flugzeug war für uns nicht mehr existent. Beruhigt war Cresson trotzdem nicht. Er leerte den Rest Wasser aus der Dose und drückte sie dann zusammen. »Meinen Sie, daß uns dieses Beil auf den Fersen bleibt?«
»Keine Ahnung.«
»Aber Sie glauben doch daran. Sie haben es gesehen. Den Schatten an der Flugzeugdecke.«
»Stimmt.«
»Und er kann sich materialisieren, wenn es darauf ankommt. Ich habe es erlebt. Bei jeder Bewegung spüre ich die Schmerzen in meinem rechten Ohr.«
»Das wird vergehen.«
»Oder ist erst der Anfang.«
Ich wußte auch nicht, wie ich diesen Mann trösten sollte.
Aber brauchte er wirklich Trost? Einer wie der, ein Henker, der zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Natürlich braucht jeder Mensch irgendwann einmal Trost, das gehört zum Leben, doch es kostete mich bei Cresson schon eine gewisse Überwindung, denn er war ein Mensch, der mir im Prinzip überhaupt nicht lag.
Auf der anderen Seite hatte er dem Abbé selbstlos beigestanden und ihn gegen drei Angreifer verteidigt. Das wiederum tat auch nicht jeder. Mich interessierte natürlich das geheimnisvolle Beil, und ich rechnete eher mit einer Verfolgung dieses Killerinstruments, als mit der des Schwarzen, den wir nun wirklich nicht gesehen hatten.
»Wenn Sie Hunger haben und etwas essen wollen, können wir anhalten«, schlug ich vor. »Unsere Zeit drängt nicht. Ich habe mit Bloch keinen genauen Zeitpunkt ausgemacht.«
»Hunger?« Er lachte. »Nein, John, fahren Sie ruhig. Ich möchte so schnell wie möglich mein Ziel erreichen und mit dem Abbé über alles reden.« Er nickte. »Ich werde beichten. Ich werde eine Henkersbeichte ablegen, und ich hoffe, daß mir der Himmel vergibt. Ich selbst kann es nicht. Nie hätte ich gedacht, daß ich einmal so unter meinem Schicksal leiden würde. Aber das ist die
Weitere Kostenlose Bücher