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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Verstärkung. Das spielte auch keine Rolle. Er hatte kostbare Zeit verloren. Zu viel Zeit. Seine Beute musste längst auf dem Kamm angekommen sein. Wenn er sich nicht beeilte, würde sie die baumlose Strecke schnell hinter sich bringen und sich in den Wäldern verstecken, wo er sie nur schwer finden konnte. Sie durfte ihm nicht entkommen!
***
    De Bruce kennt den Pfad, schoss es Melisande durch den Kopf. Aber er ist weit genug entfernt. Er muss die Schlucht umgehen. Wir können es schaffen. Wir müssen es schaffen.
    Sie stürmte los und drängte Rudger, schneller zu machen. »De Bruce will uns abfangen«, schrie sie ihm zu.
    Im Laufschritt hetzten sie den steilen Pfad hinauf, Beata schiebend und zerrend. Jeder Schritt wurde zur Qual, Gertrud wimmerte unaufhörlich.
    Endlich erreichten sie den Kamm der Schlucht, verschwitzt und bis auf Rudger benommen vor Erschöpfung. Er ging ein paar Schritte zurück und spähte hinab, kam wieder zu Melisande und reichte ihr einen Dolch. »Nimm. Wenn ich nicht mehr kämpfen kann, musst du es tun.«
    »Aber du kommst doch mit uns, Rudger! Du kannst uns nicht hier alleinlassen.«
    »Ich muss euch den Rücken frei halten. Die Linien sind zusammengebrochen, die Schlacht tobt jetzt um die Wagen. Uns sind drei Männer den Steilhang hinauf gefolgt. Vielleicht haben sie auch hier auf uns gewartet, ich weiß es nicht. Ich werde sie töten, dann komme ich nach. Geh jetzt, Schwester. Wir werden uns wiedersehen. Wenn nicht in dieser Welt, dann im Himmel.«
    Beata umarmte ihren Sohn, Tränen flossen über ihre bleichen Wangen. Rudger machte sich frei und stieß sie weg. »Flieht endlich. Bringt euch in Sicherheit, sonst war alles vergebens!«
***
    Rudger sah seiner Mutter und seinen Schwestern ein paar Wimpernschläge lang hinterher, dann kniete er nieder, faltete die Hände und betete. Die Waffen der Verfolger klirrten, die Männer schnauften. Rudger hatte die Augen nur einen Spalt geöffnet, gerade so weit, dass er sehen konnte, wie die Feinde den Weg hochstürmten. Er betete weiter. Die Männer blieben stehen, atmeten schwer.
    Einer zeigte auf Rudger. »Wunderbar, er hat eingesehen, dass er sterben muss, und fleht bei Gott um Gnade.«
    Die anderen lachten und hoben ihre Schwerter. Rudger ließ sie herankommen, dann rollte er sich blitzschnell nach vorne ab, mitten durch die Angreifer hindurch, die nicht rasch genug reagieren konnten. Er zog das Schwert, schnellte hoch und stieß es in der Drehung durch die Kehle des ersten Feindes. Der sackte röchelnd zusammen. Die beiden anderen sprangen zurück.
    »Du miese kleine Ratte! Ich werde dich in Stücke hacken«, schrie einer von ihnen.
    Wutentbrannt drangen sie auf Rudger ein, der die Angriffe Hieb um Hieb parierte, aber bald am Ende seiner Kräfte war. Sie trieben ihn ein Stück weit auf ein paar Büsche zu. Einer stolperte, Rudger machte einen Schritt nach vorne und trieb ihm das Schwert in den Leib. Als er es herausziehen wollte, steckte es fest. Er setzte den Fuß auf den Brustkorb, zerrte an dem Schwert und spürte zugleich, wie die Waffe seines Feindes ihm in die Seite fuhr. Mit einer Hand packte er die Klinge und hielt sie fest, mit der anderen schaffte er es noch, sein Schwert freizubekommen und es seinem Mörder unter das Wams zu stoßen.
    Rudger schwankte. Er wusste, dass er sterben musste. Doch er starb nicht vergebens. Seine Mutter und seine Schwestern waren entkommen. Das allein zählte. Er ließ die Klinge los, sah noch, wie der Söldner schmerzverzerrt grinste, dann holte ihn der Tod.
***
    Melisande, Beata und Gertrud flohen weiter über die kahle Ebene auf die schützenden Bäume zu und erreichten mit letzter Kraft den Waldrand. Keuchend und sich nach allen Seiten umschauend, kauerten sie zwischen den Stämmen.
    Melisande versuchte, ruhiger zu atmen und zu horchen. Doch sie konnte nichts hören außer dem Rauschen ihres eigenen Blutes. Plötzlich fuhr ihr die Todesangst in die Glieder. Hufschlag und Schnauben. De Bruce! Sie griff den Dolch fester. Sie würde ihre Schwester und ihre Mutter mit ihrem Leben verteidigen.
    Wenige Herzschläge ruhten sie aus, dann zog und zerrte Melisande ihre Mutter weiter. Diese hielt sich den Bauch und hörte nicht auf zu weinen. Gertrud hingegen war verstummt. Wie eine Puppe lief sie ihnen hinterher, ihr Blick ging ins Leere.
    Der Wald nahm kein Ende, Vögel flogen von den Ästen auf und kreischten aufgeregt. Irgendwann – Melisande hatte jedes Gefühl für Zeit verloren – stolperten sie auf eine

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