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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Fenster, vor dem sich die Mauern des Predigerklosters erhoben. »Dämpft Eure Stimme, wenn Ihr von Ketzerei sprecht«, raunte er. »Es wäre besser, wenn den frommen Brüdern, die nach den Lehren des heiligen Dominikus leben und die nicht umsonst die ›Hunde des Herrn‹ genannt werden, nichts davon zu Ohren käme. So manches Mal schon waren sie etwas zu eifrig in ihrem Glauben, und ich möchte nicht, dass wir unsere Richterstühle gegen den Scheiterhaufen eintauschen müssen, wenn sie einmal Blut geleckt haben ...« Er brach ab und schaute einem nach dem anderen in die Augen.
    Sempach erwiderte den Blick kühl. Was hatten sie schon zu befürchten? Nur Ketzer und Hexen zuckten vor dem gerechten Zorn der heiligen Gerichte zurück. Andererseits hatte Remser wohl nicht ganz unrecht. Auch Sempach war zu Ohren gekommen, dass schon Unschuldige auf dem Scheiterhaufen gelandet waren. Aber wo gehobelt wurde, da fielen Späne, das war schon immer so gewesen. Umso besser für ihn, wenn die Sache nicht an die große Glocke gehängt wurde.
    Gerold von Türkheim beugte sich vor. Auch er sprach mit verhaltener Stimme. »Habt Ihr denn schon etwas herausgefunden über die Herkunft der Ketzerbibel, Sempach?«
    »Nicht direkt. Ich habe einen Verdacht, den ich aber noch nicht aussprechen möchte, wie Ihr sicher versteht.« Er machte eine Pause, niemand erwiderte etwas, also fuhr er fort. »Ich bin jedoch sehr zuversichtlich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Zorn Gottes die Richtigen treffen wird.«
    Der Schultheiß seufzte und fuhr sich zum wiederholten Mal über die Stirn. »Ich wollte dieses leidige Kapitel eigentlich abschließen«, entgegnete er schwach. »Das bringt alles nichts. Wir sollten einen neuen Henker suchen und es gut sein lassen. Diese ganze Aufregung ist schlecht für das Ansehen der Stadt.«
    Sempach sah ihn eindringlich an. »Bei allem Respekt, das dürfen wir nicht tun. Ketzerei ist eine schwere Sünde. Außerdem dürfen wir Melchior nicht einfach so davonkommen lassen. Wir müssen die Ehre der Stadt Esslingen wiederherstellen. Auch wenn wir natürlich darauf achten müssen, dass nicht unnötig kostbares Geschirr zu Bruch geht.«
    »Ich stimme Sempach zu. Er soll weiter nachforschen!«, rief Henner Langkoop, stand auf und stellte sich hinter Sempach.
    »Ich schließe mich an«, fielen Waldemar Guirrili und Kunibert von Engern ein und rückten ebenfalls zu Sempach auf.
    Remser trommelte mit seinen Fingern auf die Tischplatte, wiegte ein paarmal den Kopf. »Nun gut. Wenn Ihr unbedingt wollt. Sempach, ich gebe Euch acht Wochen Zeit, den Ketzer zu finden. Aber ich warne Euch: Geht Ihr nicht diskret vor, entziehe ich Euch den Auftrag. Hört Euch um, streut Gerüchte. Die da drüben«, er deutete mit dem Daumen auf das Predigerkloster, »brauchen nichts davon mitzubekommen. Wir haben genug Scherereien.«
    Sempach verneigte sich tief. »Wie immer habt Ihr weise gesprochen, ehrwürdiger Schultheiß, und ich versichere Euch, Ihr werdet kein laues Lüftchen von meinen Nachforschungen spüren.«
    Remser verdrehte die Augen, pochte mit seinem Stab ein letztes Mal energisch auf den Tisch. »Die Ratssitzung ist beendet. Gehabt Euch wohl.« Er scheuchte die Herren zur Tür. »Ihr, Sempach, bleibt noch einen Moment.«
    Schnatternd wie die Gänse erhoben sich die Ratsherren und verließen den Saal. Sempach blieb stehen und hob eine Augenbraue. Wenn er erst einmal Schultheiß war, dann würden solche Dinge anders in Angriff genommen. Dann gab es kein Gezeter und Geschnatter mehr, dann wurden harte Entscheidungen getroffen und ausgeführt. Und wem das nicht passte, der würde sich schneller im Loch wiederfinden, als er denken konnte.
    »Sempach.« Remser holte tief Luft. »Ich kann mir vorstellen, was in Eurem Kopf vor sich geht und dass Ihr lieber heute als morgen meinen Stuhl einnehmen würdet.«
    Sempach schwieg und lächelte liebenswürdig.
    »Vielleicht gelingt Euch das eines Tages sogar. Aber bis dahin habe ich das Sagen. Und wenn Ihr mir die dominikanischen Bluthunde aufweckt, dann macht Euch auf etwas gefasst. Haben wir uns verstanden?«
    Sempach hätte Remser gerne auf der Stelle den Rattenhelm aufgesetzt, aber er musste sich in Geduld fassen. »Ich würde es nicht wagen, Euren Anordnungen zuwiderzuhandeln, Schultheiß«, sagte er stattdessen. »Ich weiß, wo mein Platz ist, und Hunde mag ich ebenfalls nicht, vor allem, wenn sie jeden Knochen abnagen, denen man ihnen vorwirft.«
    »Gut, Sempach, gut. Und jetzt lasst

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