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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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glaubt ja nicht, dass Ihr ihn so einfach findet. Sein Versteck ist nicht leicht zu entdecken. Ihr geht hundertmal daran vorbei und erkennt es doch nicht.«
    »Ach wirklich?« Von Säckingen glaubte seinem ehemaligen Spion kein Wort. Dieser Dietrich war ein Aufschneider und Lügner.
    Mit einer fließenden Bewegung ließ von Säckingen sein Schwert auf Dietrichs Kopf niederfahren und spaltete ihm den Schädel. Er trat zurück und beobachtete schwer atmend, wie sein Opfer auf die Knie sank. Kein Laut kam über Dietrichs Lippen, nur seine Augen blickten ihn erstaunt, fast ungläubig an. Noch bevor Dietrich bäuchlings auf den Waldboden fiel, holte von Säckingen erneut aus und trennte den Kopf mit einem einzigen Hieb vom Rumpf.
    Er lachte zufrieden. Dafür brauchte er keinen Henker. Dietrich hatte ihn mit seinem dummen Geschwätz hereinlegen wollen. Vielleicht hätte er ihm tatsächlich geglaubt, sich womöglich auf den Handel eingelassen, wenn er nicht selbst auf dem Fronhof gewesen wäre und alles gründlich von seinen Männern hätte durchsuchen lassen. Dort gab es kein Versteck, das ihnen entgangen wäre. Nein, Dietrich hatte gelogen, um sein erbärmliches Leben zu retten. Das einzige Geheimnis, das er mit ins Grab nahm, war die Geschichte, wie er zu seiner schrecklichen Narbe gekommen war.
    Eberhard von Säckingen reinigte sein Schwert, schob es zurück in die Scheide, nahm den abgetrennten Kopf bei den Haaren und brach sich einen Weg zurück durchs Unterholz. Als er seinen Männern die Trophäe entgegenhielt, brachen sie in anerkennendes Grölen aus.
    »Heute dürft ihr euch im besten Wirtshaus von Urach den Bauch vollschlagen und euch das bisschen Verstand aus dem Schädel saufen, das noch darinnen wohnt!«, rief von Säckingen. »Und morgen brechen wir auf und kehren zurück zur Adlerburg. Wir haben ein Präsent für den Grafen, das ihm gefallen dürfte.«
***
    Wendel stöhnte. Die Rechnung, die er vor sich liegen hatte, war fehlerhaft. Bei allem, was recht war, wie konnte ein gestandener Karcher den Esslinger Eimer mit dem Bayrischen verwechseln? Und warum rechnete sein Kollege aus Lippstadt drei Fuder als dieselbe Menge wie zwanzig Fässer, wo doch festgelegt war, dass ein Fuder fünf und ein Fünftel Fass waren?
    Wendel korrigierte die Rechnung und legte sie auf den Stapel der Dokumente, die an den Absender zurückgingen. Dann nahm er sich die Lieferlisten vor, die sein Vater angelegt hatte, und fand alles zu seiner Zufriedenheit. Er stand auf, legte die Pergamente in die Truhe, sperrte sie ab und reckte sich. Langsam ging er zurück zum Tisch und genoss jeden Schritt, den er tun konnte, ohne dass seine Füße ihn marterten. Ein wenig humpelte er, weil die Knochen nicht richtig zusammengewachsen waren, aber alles in allem hatte er großes Glück gehabt. Die Narbe am Arm, der humpelnde Gang – es gab Schlimmeres.
    War wirklich schon ein Monat vergangen, seit er aus dem Kerker geflohen war? Seit er zu Tode erschöpft vor den Toren von Reutlingen zusammengebrochen war?
    Wendel hatte seinen Vater angefleht, wieder arbeiten zu dürfen. Der hatte zugestimmt, allerdings darauf bestanden, dass er nicht in die Weinberge ritt. Also verbrachte Wendel so viel Zeit wie möglich im Keller und im Kelterhaus und so wenig wie möglich über den Lieferlisten, Rechnungen und Briefen, die ihn unendlich langweilten. Antonius folgte ihm wie ein Schatten überallhin. Der Leibwächter würde sein Leben hergeben, um das seines Schützlings zu retten.
    Mit dem alten Urban war Erhard Füger übereingekommen, die Hochzeit auf das kommende Frühjahr zu verschieben. Als Termin hatten sie Walpurgis festgesetzt, den ersten Tag im Mai. Katherina hatte sich damit getröstet, dass sie so wenigstens genügend Zeit hatte, im Haus alles für die Ankunft der Schwiegertochter vorzubereiten. Wendel aber hoffte immer noch stumm auf ein Wunder, das ihn vor der Erfüllung seines Eheversprechens bewahrte.
    Er hatte Engellin inzwischen einige Male getroffen, hatte die Familie Urban zusammen mit seinem Vater sonntags zum Essen besucht. Engellin war wunderschön und wohlerzogen, im wahrsten Sinne des Wortes ein Engel. Doch wenn er mit ihr sprach, war es, als würde er zu einer Puppe sprechen. Zu allem nickte sie höflich, pflichtete ihm bei und lächelte. Nie kam ein eigener Gedanke von ihr, ja nicht einmal eine Frage, außer der nach dem Fortschreiten seiner Genesung oder seinem Befinden. Wären ihre Augen nicht so hell und leuchtend, ihre Sprache nicht

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