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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Schelkopfstor bis hierher beworfen hatten.
    »Simon Brecht, Steinmetzgeselle und Sohn des Hannes Brecht, du hast zugegeben, den Benedikt Rengert, Sohn des ehrenwerten Wengerters Jobst Rengert, heimtückisch mit dem Messer ermordet zu haben ...« Richter Kunibert von Engern verlas dem Missetäter sein Geständnis. »Bleibst du dabei?«
    Brecht wiederholte es stammelnd. Er war ein magerer, sehniger Bursche mit einer schiefen Nase, die ihm offenbar einmal bei einer Rauferei gebrochen worden war.
    Was für ein jämmerlicher Anblick! Konrad Sempach verzog verächtlich den Mund. Wenn die Geschichte des Mannes stimmte und er für die Bluttat bezahlt worden war, dann hatte sein Auftraggeber am falschen Ende gespart. Vermutlich hatte er Brecht für ein paar Dutzend Groschen gedungen, aber dafür bekam man natürlich keinen zuverlässigen Mann. Vielleicht war es auch so, dass der Auftraggeber wiederum einen Auftraggeber hatte und irgendwo in dieser Kette jemand zu viel Geld für sich selbst abgezweigt hatte. Wer auch immer das war, er konnte froh sein, dass sich offenbar niemand für diesen Teil der Geschichte interessierte. Der Rat hatte seinen Mörder, der Gerechtigkeit war Genüge getan. Warum jemand den Tod des Weingärtnersohns gewollt hatte, war unwichtig, zumal die meisten die Geschichte des Mörders ohnehin für einen plumpen Versuch hielten, sich herauszureden.
    »Gottloses, stinkendes Geschmeiß! Kriechendes Höllengewürm!«
    Unter den Weingärtnern und ihren Familien erhoben sich laute Rufe, als Brecht seine Bluttat in allen Einzelheiten schilderte.
    Brecht schien seine Lage immer noch nicht zu begreifen und sprach ungerührt weiter. Als er geendet hatte, trat von Engern zu den anderen Richtern. »Wir sind uns einig, was das Urteil angeht, oder?«
    Die Männer nickten stumm.
    »Keine Milde für diese Ausgeburt der Hölle«, zischte von Türkheim.
    »Dann ist es beschlossen.« Von Engern trat vor und erhob die Stimme. »Es ergeht folgendes Urteil: Du, Simon Brecht, bist des Mordes überführt. Deine Strafe lautet Tod durch Flechten auf das Rad!«
    Die Menge jubelte. Eine Hinrichtung durch das Rad war fast so grausam wie Häuten oder Vierteilen, und die Esslinger schienen sich einig zu sein, dass der Missetäter diesen Tod verdient hatte.
    In einem langen Zug ging es zum Richtplatz. Voran schritt der Ulmer Henker, ein riesiger breitschultriger Mann mit einem flachen Gesicht und kinnlangem hellblonden Haar. Der Karren mit dem Verurteilten kam nur im Schritttempo vorwärts, so dicht drängten sich die Leute in den Gassen. Jeder wollte einen Blick auf den gemeinen Mörder erhaschen, ihn beschimpfen, bespucken und mit faulem Gemüse und Exkrementen bewerfen. Auf der Inneren Brücke kam der Zug vollends zum Stehen. Es ging nicht mehr vorwärts und nicht mehr zurück, da von allen Seiten Menschen auf den schmalen Übergang über den Neckar strömten. Johann Remser fluchte und schimpfte, Gerold von Türkheim schwang drohend seinen Gehstock, Sempach schwitzte. Doch erst durch das energische Eingreifen der Büttel gelang es, die Schaulustigen so weit zu vertreiben, dass der Karren weiterfahren konnte.
    Auf dem Richtplatz vor dem Heiligkreuztor war alles vorbereitet. Der Ulmer Scharfrichter stieg auf das Podest und wartete breitbeinig darauf, dass die Henkersknechte den Verurteilten vom Karren zerrten, ihn zu ihm heraufschleiften und auf die Knie drückten.
    Der Priester trat hinzu, schlug das Kreuz in die Luft und murmelte ein Gebet. Als er geendet hatte und weggetreten war, sah der Henker zu der Tribüne hoch, auf der sich inzwischen die vornehmen Bürger der Stadt versammelt hatten. Auch Sempach hatte einen Platz ergattert und kämpfte gegen die Magensäure, die ihm die Kehle hochstieg. Die Hitze, die Menschenmassen, die sich vor der Tribüne drängten und schubsten, und der Wein, von dem er vor dem Verlassen des Hauses ein Schlückchen gekostet hatte forderten ihren Tribut. Mit seinem Ärmel fächelte er sich Luft zu.
    Kunibert von Engern gab dem Henker ein Zeichen, woraufhin dieser den Knechten befahl, Brecht an den Krammen festzubinden. Der Verurteilte stöhnte, als er auf den Rücken geworfen wurde und seine Arme und Beine auseinandergezogen wurden.
    Sempach fragte sich, ob der fremde Henker Brecht etwas von dem Traumsaft eingeflößt hatte, den Melchior oft verwendet hatte. Er bezweifelte es. Simon Brecht hatte keine Fürsprecher in Esslingen, niemanden, der für eine derartige Sonderbehandlung zahlen würde, und der

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