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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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zusammen, um für Wendel und Antonius Platz zu machen.
    »Na, Wendel?«, rief Friedel, ein dunkelhaariger, korpulenter Bursche, dessen Vater ein reicher Salzhändler war. »Hast du deinen Aufpasser wieder mitgebracht? Hast du etwa Angst, dass du den Heimweg nicht allein findest?«
    »Nein«, fiel ihm Hannes ins Wort, der Sohn eines Husers, der die Sommerhalde für die Fügers bebaute. »Antonius muss ihn vor den Weibern beschützen. Seit Wendel ein hinkender Held ist, liegen sie ihm alle zu Füßen.«
    Die beiden lachten schallend.
    Die Neckereien waren liebevoll gemeint, das wusste Wendel, doch es fiel ihm schwer, in ihr Lachen einzufallen. Wenn er mit seinen Freunden zusammensaß, merkte er, wie sehr er sich verändert hatte. Er war nicht mehr einer von diesen übermütigen jungen Burschen, für die das ganze Leben ein Spaß war. Zwischen ihm und seinen Freunden stand der Esslinger Kerker, standen die finsteren Mienen der Richter und der undurchsichtige Henker, der ihn zum Krüppel gemacht und ihm gleichzeitig das Leben gerettet hatte. Auch wenn ihm das alles inzwischen wie ein ferner Albtraum vorkam, so hatte es doch seine Spuren hinterlassen, Spuren, die sich wohl nie mehr ganz fortwischen lassen würden.
    »Was bist du so ernst, Freund?« Friedel klopfte Wendel wohlwollend auf die Schulter.
    Wendel sah zu Antonius, der ein wenig abseits Platz genommen hatte und die Menschen in der Wirtsstube unruhig beobachtete. Dann drehte er sich zu Friedel um. »Ich hatte einen langen Arbeitstag, mein Freund. Im Gegensatz zu dir gehe ich meinem Vater bei seinen Geschäften zur Hand. Wenn du jeden Tag Salzfässer zählen, Arbeiter antreiben und Rechnungsbücher führen müsstest, wärst du am Abend auch müde.«
    Friedel grinste. »Du hast deinen Alten halt nicht richtig im Griff.« Er verzog das Gesicht. »Ich leider auch nicht mehr. Vater hat beschlossen, dass ich bei meinem Onkel in die Lehre gehen soll. Bald ist also Schluss mit dem süßen Leben.« Er seufzte. »Dafür fängt es für dich bald richtig an. Freust du dich schon auf den warmen Schoß deiner Braut?«
    »Er kann es kaum erwarten«, meinte Hannes, noch bevor Wendel selbst etwas erwidern konnte. »Siehst du nicht, wie er sich ständig die Lippen leckt?«
    Wendel hatte nicht vorgehabt, lange zu bleiben, doch als er das nächste Mal nach draußen blickte, war es bereits dämmrig. Die Zeit war vergangen wie im Flug. Seine Freunde hatten ihn mit ihren Scherzen und Geschichten von seinen Sorgen abgelenkt, und er war ihnen dankbar dafür. Er erhob sich. »Für mich wird es Zeit. Ich mache mich auf den Heimweg.«
    Seine Freunde wollten protestieren, doch er wischte ihre Einwände mit einer ungeduldigen Handbewegung fort. »Komm, Antonius«, sagte er. »Wir brechen auf.«
    Sein Leibwächter wirkte erleichtert. Sicherlich hatte er die ganze Zeit nervös beobachtet, wie es draußen langsam Nacht wurde. Die Gasse vor dem Wirtshaus war inzwischen still und menschenleer. Nicht mehr lange, und der Nachtwächter würde seine Runden aufnehmen.
    Wendel wandte sich nach links. Antonius griff ihn am Ärmel. »Sollten wir nicht besser den anderen Weg nehmen?«, fragte er. »Hierum ist es zwar kürzer, aber die Gassen sind eng und dunkel, und die Gegend ist nicht die beste.«
    »Sei kein Hasenfuß, Antonius!«, rief Wendel und ging los.
    Antonius schloss sich ihm seufzend an, und eine Weile liefen sie schweigend hintereinander her durch die engen Gassen.
    Plötzlich sprang vor Wendel ein Mann aus einem Hauseingang. Wendel wollte zur Seite treten, um ihn passieren zu lassen, doch anstatt auf ihn zuzugehen, blieb der Fremde stehen und zog sein Schwert aus der Scheide. Trotz der Dunkelheit erkannte Wendel das böse Grinsen, das sich auf seinem Gesicht abzeichnete.
    Antonius berührte Wendels Schulter. »Zurück! Geschwind!« Doch als sie sich umwandten, stand auch hinter ihnen ein Bewaffneter.
    Antonius und Wendel zogen nun ebenfalls die Schwerter. Rücken an Rücken standen sie in der engen Gasse, jeder einen Gegner im Visier.
    Wendel atmete schwer. Zwar hatte er den Kampf mit dem Schwert gelernt, doch ihm fehlte jede Übung, und er war noch lange nicht wieder so kräftig wie vor der Folter. Antonius hatte recht gehabt. Er hatte die Gefahr nicht ernst genommen, hatte sie nicht ernst nehmen wollen, sich in Sicherheit gewiegt. In falscher Sicherheit.
    Er nahm das Schwert nicht zu fest, um seine Muskeln nicht zu verkrampfen. Auch wenn er kein guter Kämpfer war, allzu leicht wollte er es

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