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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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vornehmer Ritter. Er hat einen der Bauern aus Hülben ausgequetscht, als wolle er Wein aus ihm machen.«
    »Ja, und da fragt man sich doch, was so einer von der Kleinen will, nicht wahr?«, ergänzte Veit, ein Seiler, dessen Arme dicker waren als Birkenstämme.
    »Ich sage dir etwas«, fuhr Urban fort, wobei er Veit einen ärgerlichen Blick zuwarf. »Dieser fremde Ritter wusste, von was für einer er da redet. Sein Gesicht hättest du sehen sollen. Ganz finster hat er dreingeblickt.«
    »Aber Ritter sind doch keine Ketzerjäger«, wandte Georg, der Bürstenbinder, ein. Er hatte ein Gesicht, als hätte er in seinem Leben schon mehr Prügel bezogen, als er Mahlzeiten gehabt hatte. Die Nase war plattgedrückt, und sein linkes Auge saß tiefer als das rechte. »Wenn’s ein Predigerbruder gewesen wäre, dann wäre die Sache klar.«
    »Glaubst du etwa nicht, dass sie eine Hexe ist?«, fauchte Lucas ihn an.
    »Ich weiß nicht.« Georg hob verunsichert die Schultern. »Sie hat doch nichts Böses getan, oder?«
    »Nichts Böses getan?«, fuhr Veit ihn an. »Letzte Woche ist die Grete krank geworden, die Frau des Knopfmachers Sewolt. Ganz plötzlich bekam sie hohes Fieber. Und wisst ihr was? Am gleichen Morgen war die Hexe bei ihr gewesen und hat Knöpfe gekauft.«
    Einen Augenblick lang schwiegen alle betroffen. Die Magd brachte frisches Bier.
    Zacharias räusperte sich. Das war der richtige Zeitpunkt, um seine Neuigkeit loszuwerden. »Das Beste wisst ihr noch gar nicht«, sagte er mit einem selbstgefälligen Grinsen. »Ratet mal, wo die feuerhaarige Metze sich den ganzen Abend herumgetrieben hat!«
    »Auf dem Friedhof?«, fragte Georg, die schiefen Augen weit aufgerissen.
    Zacharias schüttelte den Kopf.
    »Beim Abdecker?«, riet Lucas.
    »Im Hurenhaus?«, schlug Urban vor.
    Veit schlug seine dicke Seilerfaust auf den Tisch. »Verflucht, nun sag schon, Zacharias. Wo denn?«
    »Im Haus eines Juden.«
    Lucas spuckte auf den mit Stroh ausgelegten Boden. »Dieses Drecksweib.«
    »Zweifelt noch einer von euch daran, dass sie eine Hexe ist?«, fragte Urban triumphierend.
    »Jemand sollte was dagegen unternehmen«, sagte Veit entschlossen. »Die muss angeklagt werden. Angeklagt, verurteilt und verbrannt.«
    »Heißt das, wir müssen den Predigerbrüdern von ihr erzählen?«, fragte Georg.
    »Das heißt es wohl.« Zacharias rieb sich nachdenklich über die Stirn. »Es sei denn, wir nehmen die Sache selbst in die Hand.«
    Die anderen starrten ihn an.
    »Wie meinst du das?«, flüsterte Georg. Sein plattes Gesicht war mit einem Mal ganz bleich.
    »So, wie ich es sage«, antwortete Zacharias. »Wir schnappen uns die Metze und sorgen dafür, dass sie bekommt, was sie verdient. Einer muss es ja machen.«
    Veit ließ seine Faust ein zweites Mal an diesem Abend auf die Tischplatte knallen. »Ich bin dabei.«
    »Ich auch.« Urban verschränkte entschlossen die Arme. »Die Hexe muss brennen.«
***
    Melisande starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Ängstlich lauschte sie den Geräuschen, die von draußen in ihr Häuschen drangen. Das Fauchen einer Wildkatze, ein Rascheln, das entfernte Murmeln des Bachs. Nichts Ungewöhnliches. Warum war sie dann aufgewacht?
    Spät am Abend war sie todmüde auf ihr Lager gesunken, erschöpft von der Entbindung und von dem langen Marsch die Hülber Steige hinauf.
    Was war da draußen? Leise erhob sich Melisande von ihrem Strohsack und streifte im Dunkeln ihr Kleid über. Wieder raschelte es. Diesmal waren es eindeutig menschliche Schritte. Wut packte Melisande. Sicherlich wollte wieder irgendein Feigling ihre Wand beschmieren. Dem würde sie das Handwerk legen!
    Sie fuhr mit der Hand unter den Strohsack und zog das Schwert hervor, schlich zur Tür und drückte sie so leise wie möglich einen Spaltbreit auf. Der Mond tauchte den Fronhof in gespenstisches Licht. Ein kleines Tier, eine Maus vielleicht, huschte an ihr vorbei und verschwand in Richtung Kelterhaus. Ansonsten war niemand zu sehen. Hatte sie sich getäuscht? Hatte ihre Einbildungskraft ihr einen Streich gespielt? Hörte sie vor lauter Angst schon Laute, die gar nicht existierten?
    Gerade als Melisande die Tür wieder schließen wollte, hörte sie ganz in der Nähe ein Wispern. Sie wandte den Kopf und sah ein Flackern wie von einer Fackel, das von irgendwo hinter ihrem Haus zu kommen schien. Mit klopfendem Herzen stieß sie die Tür ganz auf und schlich an der Hauswand entlang. Das Flackern wurde heller, schien nicht von einer,

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