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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Geredet wird immer viel.«
    Von Säckingen packte den Wirt am Kragen. »Betet zum Herrgott, dass Ihr Euch nicht täuscht.«
    Er stürzte aus der Tür. Als wäre der Teufel hinter ihm her, trieb er seine Leute an und gab seinem Pferd die Sporen. Im gestreckten Galopp preschten sie die Hülber Steige hinauf, was ohne den Mond, der still vom Nachthimmel schien, blanker Selbstmord gewesen wäre.
    »Los! Los!« Eberhard von Säckingen drängte die Männer zur Eile. Sein Gefühl sagte ihm, dass der Wirt sich täuschte. Dieser Pöbel war nicht einfach so nach Hause gegangen und hatte sich in sein Bett verkrochen. Seit Tagen war die Stimmung in Urach immer weiter hochgekocht. Eigentlich hätte er ahnen müssen, dass es darauf hinauslief. Alle Anzeichen hatten darauf hingedeutet. Wie hatte er nur so blind sein können!
    Endlich hetzten sie aus dem Wald hinaus auf offenes Feld. Die Pferde schnaubten, ihre Leiber dampften von der Anstrengung des Aufstiegs.
    Schon von weitem war das flackernde Licht zu sehen, das die Nacht auf unnatürliche Weise erhellte. Feuer! Von Säckingen hieb seinem Pferd die Sporen in die Seite und stieß einen wütenden Kampfschrei aus. Weiber, dachte er, die Weiber machen uns zu Idioten.
***
    Melisande duckte sich und sprang zur Seite. Sie musste den Mann außer Gefecht setzen, und zwar bevor die anderen Angreifer sie erreichten. Inzwischen hatte sich der kleine Dicke, den sie mit ihrem Überraschungshieb verletzt hatte, aufgerappelt, war wieder bereit, sich auf sie zu stürzen. Sie überlegte fieberhaft. Eine kleine Ablenkung, nur für ein paar Herzschläge, würde genügen. Die Männer waren betrunken und ein wenig schwerfällig in ihren Bewegungen, zudem kannten sie sich hier nicht aus. Sie brauchte nur einen winzigen Vorsprung, um in den Wald zu fliehen, in dem sie jeden Baum und jeden Fels kannte, wo ihr Versteck auf sie wartete.
    Schon hatte der erste der drei Nachzügler sie erreicht. Es war der mit dem plattgedrückten Gesicht. Kampflustig schwang er sein Schwert. Melisande sprang rückwärts, um seinem Hieb zu entgehen. Von der Seite wankte der Verletzte herbei, blindwütiger Hass loderte in seinen Augen.
    Melisande drehte sich in die andere Richtung, dort aber stand der Große, der ihr schon die ganze Zeit mit seinem Schwert zusetzte. Seine Reaktionen waren nicht sonderlich flink, nur so hatte sie ihn bisher abwehren können. Jetzt allerdings saß sie in der Falle.
    Da dröhnte ein unmenschlicher Schrei vom Wald her über die Hochebene. Er hörte sich an wie eine Mischung aus dem Grollen eines Bären und dem Schrei eines Falken. Die Männer erstarrten. Ihre Köpfe flogen herum.
    Ohne zu zögern, duckte Melisande sich unter dem erhobenen Arm des Verletzten hindurch und stürmte auf das Hoftor zu. Hinter sich hörte sie die Männer lautstark fluchen, doch sie wandte sich nicht um. Im Zickzack rannte sie über die Felder, benutzte Bäume und Büsche als Deckung. Vage machte sie Reiter aus, die von der Hülber Steige her auf den Hof zu galoppierten.
    Ihre Lungen brannten, als sie den Wald erreichte. Sie ging hinter einer dicken Eiche in Deckung und wagte erstmals einen Blick zurück. Die fünf Männer waren ihr dicht auf den Fersen, weniger als zwei Steinwürfe trennten sie von dem Baum, hinter dem Melisande sich verbarg. Allerdings rannten die Männer in verschiedene Richtungen. Sie hatten also nicht genau gesehen, wohin sie verschwunden war.
    Hinter den Männern waren die Reiter zu erkennen. Einige preschten durch das Tor auf den Fronhof, die anderen stürmten hinter den fünf Männern her. Ob sie diese verfolgten oder ihnen bei der Jagd auf die vermeintliche Hexe beistehen wollten, konnte Melisande nicht erkennen. Es spielte auch keine Rolle.
    Schleunigst wandte sie sich ab und stolperte durch den Wald, die Hände vor sich ausgestreckt, um ihr Gesicht vor Zweigen und Dornenranken zu schützen. Immer wieder blieb sie stehen und horchte auf verräterisches Knacken oder Schnaufen, doch hinter ihr blieb alles still. Sie erreichte ihr Versteck in der Nähe des Bachs und drängte sich durch das Gestrüpp in die kleine Höhle. Sie kroch so tief hinein, wie es ging, zog die Beine zum Kinn und blieb liegen, bis sich ihr Atem beruhigt hatte. Ida und Hermann waren tot, ihr Zuhause zerstört, wieder jagte man sie, und doch blieben die Tränen aus. Denn heute würde sich der Hase in einen Uhu verwandeln.
    Sie wusste, dass sie nicht lange in dem Versteck bleiben konnte. Spätestens bei Anbruch der

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