Henkerin
bevorstehende Hochzeit sprach. Wie konnte ich das vergessen!«
»Es hat auch etwas Gutes«, hörte er Mertens kratzige Stimme dicht an seinem Ohr. »Denn es bedeutet, dass de Bruce offenbar tatsächlich nichts davon weiß, dass du sein Geheimnis im Weinkeller entdeckt hast. Damit können wir ihn zu Fall bringen.«
Wendel nahm die Hände vom Gesicht. Mertens Stimme hatte sich verändert, lodernder Hass schwang mit einem Mal darin. »Welche Rechnung hast du eigentlich mit de Bruce offen?«, fragte er. Ein plötzlicher Argwohn legte sich wie ein Schatten über ihn. Im Grunde kannte er diesen Merten de Willms überhaupt nicht. Und doch hatte dieser Bursche sich mir nichts, dir nichts in sein Vertrauen geschlichen. Was, wenn er ihn nur benutzen wollte?
Merten senkte den Kopf. »Ich sagte doch, dass es etwas mit meiner Familie zu tun hat. Er hat mir schreckliches Unrecht angetan. Mehr kann ich dir nicht sagen. Ich dachte, du vertraust mir, Wendel.«
»Das tue ich doch auch«, bestätigte Wendel rasch. Merten sah ehrlich betroffen aus, und er schämte sich für seinen Verdacht. »Ich bin nur so verwirrt. Außerdem begreife ich nicht ganz, wie uns das Wissen über de Bruce’ geheime Kammer im Weinkeller nützen kann. Wenn wir damit zu Graf Ulrich gehen – vorausgesetzt, er empfängt uns überhaupt –, steht unser Wort gegen das von Ottmar de Bruce, und wir werden wahrscheinlich sofort in den Kerker geworfen.«
»Dann sollte es nicht unser Wort sein, das gegen ihn steht, sondern eins von mehr Gewicht«, erwiderte Merten, auf dessen Stirn sich eine tiefe Falte abzeichnete.
Wendel sah ihn neugierig an. »Ach, und an wessen Wort dachtest du?«
Merten winkte ab. »Gib mir zwei Tage. Ich muss ein paar Erkundigungen einziehen. Wenn das erledigt ist, unterbreite ich dir meinen Plan.«
»Plan? Du willst es tatsächlich mit einem Burggrafen aufnehmen, der mit einem gleichgültigen Schulterzucken Menschen tötet? Der verschlagen ist wie ein Fuchs und hinterlistig wie eine Schlange? Du wirst im Folterkeller enden und alles gestehen, was man von dir hören will, um dann wie eine Kröte auf dem Richtplatz zertreten zu werden.« Wendel atmete schwer.
Mertens Augen glühten wie Kohlen, als er antwortete. »Willst du den Rest deines Lebens jedem Menschen misstrauen? Hinter jeder Ecke, um die du biegst, den Meuchler erwarten? Willst du, dass de Bruce sich eines Tages an dir rächt, indem er deine Engellin samt eurer Kinder an einen Baum nagelt? Willst du bis ans Ende deiner Tage ein Gefangener sein? Wenn du das willst, dann werde ich morgen die Stadt verlassen, und du wirst nie wieder von mir hören.«
Wendel ballte die Fäuste. Natürlich wollte er de Bruce zur Strecke bringen. Seit ihm klar geworden war, dass der Graf hinter dem Komplott gegen ihn stecken musste, wollte er nichts so sehr, wie endlich diesen Schatten über seinem Leben wieder loszuwerden. Doch bisher waren seine Rachepläne nichts als vage Fantasien gewesen. Es gehörte eine ordentliche Portion Tollkühnheit dazu, sie in die Tat umzusetzen.
Er sah Merten an. Mit wem, wenn nicht mit diesem Burschen, der ihm auf unerklärliche Art seelenverwandt war, sollte er die Ungeheuerlichkeit wagen? Ja. Es wurde Zeit, dass er sich wie ein Mann benahm und seinen Widersacher zurück in das stinkende Loch stieß, aus dem er gekrochen war.
Er schenkte Wein nach, reichte Merten seinen Becher und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du hast recht, Freund«, sagte er. »Wir müssen de Bruce und seinen Machenschaften ein für allemal Einhalt gebieten. Ich bin dabei, welche Rolle auch immer ich dabei spielen muss. Auf uns!« Er stieß seinen Becher gegen Mertens. »Auf uns und darauf, dass wir Ottmar de Bruce zu Fall bringen!«
»Auf Ottmar de Bruce’ Fall«, echote Merten heiser.
***
Eberhard von Säckingen bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge, die sich um den Galgen drängte. Er kämpfte gegen den Strom von Schaulustigen, die allesamt einen Blick auf die fünf Männer erhaschen wollten, die dort aufgeknüpft worden waren.
Zacharias, der Metzger, Urban, der Gürtler, Lucas, der Seifensieder, Georg, der Bürstenbinder, und Veit, der Seiler, hingen nebeneinander an einem Balken, der sich unter ihrem Gewicht ächzend bog. Ihre Gesichter hatten sich im Todeskampf zu hässlichen Fratzen verzerrt. Aaskrähen hockten bereits in den Bäumen rings um den Richtplatz und freuten sich auf das Festmahl. Ihre Schreie mischten sich mit dem Gejohle der Menschen zu einem schaurigen
Weitere Kostenlose Bücher