Henkerin
hingeliefert hat. Dort, wo ein Mann seinetwegen im Sterben liegt und andere schwer krank geworden sind.« Er wollte losreiten, aber er besann sich und wandte sich noch einmal an die weinende Othilia. »Macht Euch keine Sorgen, Gräfin. Die Burg steht vorerst unter meiner Verwaltung, aber Ihr werdet keinen Mangel erdulden müssen. Für Euch und Euer Kind wird gesorgt sein. Nur Euer Gatte wird nie wieder auf die Adlerburg zurückkehren.«
Othilia versuchte sich zu bedanken, aber ihre Worte gingen in einem erneuten Weinkrampf unter. Ulrich ritt los, der Hauptmann sowie ein Dutzend Soldaten blieben auf der Burg zurück. De Bruce’ Männer waren überrumpelt und rasch entwaffnet worden und warteten im Hof auf Befehle. Von ihnen ging keine Gefahr aus, sie waren heilfroh, dass sie nicht gemeinsam mit ihrem Herrn angeklagt wurden.
Als der Zug mit dem Gefangenen durch das Burgtor ritt, brach der Regen aus den Wolken, gerade so, als hätte er auf ein Zeichen gewartet. Innerhalb weniger Augenblicke waren Pferde und Reiter durchnässt, der Boden auf dem steilen Weg ins Tal durchgeweicht. Trotzdem gelangten sie ohne Zwischenfälle zur Furt und von dort aus auf die Straße nach Urach.
Bei Tagelvingen schlugen sie ein Lager für die Nacht auf, und am Mittag des nächsten Tages traf Graf Ulrich III. von Württemberg mit seinen Soldaten und seinem Gefangenen auf Hohenurach ein. Knechte nahmen sich der Pferde an, zwei Ritter brachten de Bruce ins Verlies. Als Ulrich erschöpft den Palas betrat, empfing ihn ein Diener mit der Nachricht, dass Reinhard von Traunstein und Hofberg kurz zuvor seinen letzten Atemzug getan hatte. Jetzt hatte sich Ottmar de Bruce nicht nur für Weinpanscherei, sondern auch für den Tod eines Menschen zu verantworten.
***
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass der mächtige Burggraf Ottmar de Bruce von Ulrich III. ins Verlies geworfen worden war und dass ihn der Tod durch das Schwert erwartete.
Melisande und Wendel waren sich um den Hals gefallen, und Melisande hätte ihn am liebsten nie wieder losgelassen. Auch Erhard Füger war vor Freude außer sich gewesen und konnte nicht aufhören, den Grafen von Melchingen über den grünen Klee zu loben und auch Ulrich Respekt zu zollen, der zwar Württemberger war, aber vielleicht doch gar nicht so schlecht als Regent. Es war sogar ein Bote Graf Ulrichs eingetroffen und hatte sie eingeladen, als Geschädigte auf der Ehrentribüne am Prozess teilzunehmen.
Melisandes Freude nahm mit jedem Tag ab, den die Verhandlung näher rückte. Bald würde sie ihr Bündel schnüren müssen, Reutlingen verlassen und nie wieder zurückkehren. Und noch hatte sie ihren Schwur nicht ganz erfüllt. De Bruce musste durch ihre Hand sterben, nur so würde sie endlich Ruhe finden.
Ein wenig hatte sie ihren Plan umstellen müssen, denn Wendel hatte darauf bestanden, dass sie mit den Fügers nach Urach reiste. Sie hatte eigentlich während seiner Abwesenheit klammheimlich verschwinden wollen, doch jetzt musste sie von Urach aus ihre Reise in eine ungewisse Zukunft antreten. Sie hatte in ihrer Kammer alle Spuren verwischt, alles vernichtet, was auf ihre Herkunft verweisen konnte, und war mit Wendel und seinem Vater im Morgengrauen nach Urach aufgebrochen.
Der Oktober zeigte sich von seiner goldenen Seite, die Sonne strahlte vom Himmel, und es schien, als würde der Winter ausfallen und bereits das Frühjahr einsetzen. Aus allen Richtungen strömten die Menschen herbei; die Hinrichtung eines Grafen stand auf der Tagesordnung, wann gab es so etwas schon?
Die Tore waren verstopft, aber die Fügers zeigten ihre Einladung, und schon ließen die Wachen sie ein. Auf dem Weg zum Marktplatz ließ sich Melisande zurückfallen, bis sie unbemerkt in eine Gasse eintauchen konnte, aus der ebenfalls Menschen auf den Platz drängten. Sie musste sich sputen, damit ihr Plan gelang.
Wenig später zog sie unerkannt in Richtung Marktplatz. Ihr Vorhaben war leichter geglückt, als sie zu hoffen gewagt hatte, und nun betete sie dafür, dass der Herr im Himmel weiterhin seine schützende Hand über sie hielt.
Direkt neben dem Rathaus hatten Zimmerleute eine Tribüne gefertigt, auf deren Mitte ein hölzerner Thron stand. Er war mit Pelzen und wertvollen Tuchen ausstaffiert, der Platz für den Richter, Graf Ulrich III. von Württemberg.
Die Menschen verteilten Stüber und fluchten, wenn sie jemand zur Seite stieß. Jeder wollte möglichst dicht an der Tribüne stehen, denn die Aussichten
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