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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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angenehmer Auftrag. Es anschließend den Waldensern in die Schuhe zu schieben ebenso. Denn die waren echte Ketzer und gehörten zusammen mit den Inquisitoren in die finsterste Hölle.
    »Gut. An die Arbeit! Ich erwarte Ergebnisse.« Mit einer Handbewegung entließ de Bruce ihn.
    Von Säckingen durchmaß mit großen Schritten die Vorhalle und überquerte alsbald die Brücke, die den Palas mit dem kleinen Plateau verband, das zurzeit mit einer neuen Mauer eingefasst wurde und bald besseren Schutz bieten würde. Das war dringend nötig. Einen Angriff hätte die Adlerburg in diesem Zustand nicht lange abwehren können, denn von allen Gebäuden versprach allein der wuchtige Palas ein wenig Sicherheit. Das musste de Bruce sofort klar gewesen sein, als er von Ulrichs Vater Eberhard I. das marode Gemäuer hoch über dem Aichtal als Lehen erhalten hatte. Aber damals hatte ihm das Geld gefehlt, um die nötigen Arbeiten ausführen zu lassen.
    Die Sonne hatte den ganzen Tag heiß vom Himmel gebrannt, noch jetzt strahlten die Mauern die Hitze ab. Von Säckingen legte seine Rüstung ab, zog das Wams aus, entblößte seinen Oberkörper, der von Narben gezeichnet war und mit Muskeln bepackt. Er ging zum Brunnen, zog einen Eimer Wasser herauf und goss ihn sich über den Kopf, um Schweiß und Staub und das Blut seiner Gegner fortzuspülen. Einen Moment lang genoss er die kühle Abendbrise auf seiner Haut, dann kleidete er sich wieder an.
    Er überquerte die kreisförmige Hochfläche, auf der tagsüber das rege Treiben der Bauarbeiten herrschte. Jetzt war alles still. Etwa hundert Fuß im Durchmesser galt es mit der Mauer zu schützen. Geplant waren zwei Wehrtürme, ein Tor, ein Graben, Kornspeicher, Waffenkammer, Schmiede, Pferde-und Schweineställe. War die Vorburg erst einmal fertig, war auch die Quelle geschützt und damit eine lange Belagerung auszuhalten. Hungern konnte man wochenlang, aber nach spätestens drei Tagen ohne Wasser brach jeder Widerstand zusammen. Die Leute wurden wahnsinnig, desertierten oder starben.
    Von Säckingens Männer lagen unter einer Kastanie, das Mondlicht ließ ihre Gesichter geisterhaft leuchten. Kaum tauchte er bei ihnen auf, machten sie sich marschbereit.
    »Wir drehen jeden verdammten Stein noch einmal um. Jedes Blatt und jeden Grashalm. Wir stellen Wachen auf, wir fragen die Leute aus. Und vergesst nicht: Wir wollen Melisande Wilhelmis finden, um sie zu retten. Aber ihr dürft das erst verbreiten, wenn die Nachricht des Unglücks in Esslingen angekommen ist. Wir werden das Mädchen zu Ottmar de Bruce bringen, und zwar unversehrt. Habt ihr verstanden? Der Graf ist außer sich vor Wut. Witikund, du übernimmst heute die Suche. Lasst eure Rüstungen, Schilde und die schweren Waffen hier. Ihr müsst beweglich sein und schnell, um das Kaninchen zu fangen.« Von Säckingen hob drohend den Finger. »Wagt euch nicht zurück, bevor ihr sie gefunden habt. Und wehe, sie hat auch nur den kleinsten Kratzer. Nehmt Verpflegung für eine Woche mit. Macht euch bereit, die Nacht ist hell. Männer! Ich verlasse mich auf euch!«
    Die Söldner schlugen mit der Faust an ihre Schilde.
    Von Säckingen wusste, dass sie ihr Bestes geben würden. Sie waren ihm treu ergeben und gehorchten bedingungslos seinem Befehl.
    »Bring mir mein Pferd!«
    Von Säckingens Knappe eilte herbei, zwei Pferde an den Zügeln führend.
    »Ich reite alleine«, rief ihm von Säckingen zu. »Ich muss nach Esslingen. Übermorgen werde ich zu euch stoßen.«
***
    Melisande wusste nicht, ob es Tag war oder Nacht. Sie wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren, seit der Henker sie verlassen hatte. Sie wusste nicht, ob er je wiederkommen würde. Ob er vielleicht doch beschlossen hatte, sie auszuliefern oder einfach hier verhungern zu lassen. Die Erschöpfung hatte sie in einen unruhigen Schlaf fallen lassen, aus dem sie immer wieder nassgeschwitzt hochgefahren war. Die Bilder des schrecklichen Kampfes suchten sie immer wieder heim, aber sie konnte nicht mehr weinen. Der Schmerz war nicht mehr scharf, ebenso wenig wie der Hass. Alle Gefühle waren stumpf geworden, waren irgendwo tief in ihr vergraben. Ihr Körper fühlte sich taub und schwer an. Sie sehnte sich nach Sonne, Luft und einem Bad im Fluss. Raimund hatte ihr verboten, die Höhle zu verlassen. Aber wie lange sollte sie denn noch warten? Diese Männer konnten doch nicht ewig nach ihr suchen! So viel Zeit war vergangen. Bestimmt mehrere Tage. Oder Wochen. Nein, das konnte nicht sein, es

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