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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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starrte in die Luft und sagte sich, dass das Nebeneinander einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik in der Praxis durchaus funktionieren könnte. Gentechnologie-Gegner gingen zwar davon aus, dass sich die Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen langfristig nicht von Wildpflanzen oder unmanipulierten Kulturen fernhalten ließen. Aber wäre das wirklich so schlimm? Und konnte Deutschland es sich mit Blick auf den internationalen Wettbewerb wirklich leisten, langfristig auf die neue Technologie zu verzichten? Ganz gleich, ob in Medizin, Pharmazeutik, bei Industrieprozessen oder in der Landwirtschaft? Ließe sich nicht auch die Hungersnot in der Dritten Welt mithilfe der Gentechnologie wirksam bekämpfen?
    Burkhard Weidner seufzte, legte seine Hände flach nebeneinander auf den Tisch, betrachtete sie, ohne sie wirklich wahrzunehmen und ballte sie dann zu Fäusten. Manchmal wünschte er sich, schon in Rente zu sein, und in letzter Zeit traten diese Momente sehr häufig auf. Seine Aufgabe als Referatsleiter im Ministerium kam ihm immer öfter wie ein Fass ohne Boden vor. Innerhalb der nächsten zwei Wochen sollte er eine Expertise mit abschließender Stellungnahme verfassen, die unter anderem als Grundlage für die Entscheidung dienen würde, ob die Gentechnik auch in Rheinland-Pfalz Einzug halten würde oder nicht. Je nachdem wie die Expertise ausfiel, könnte das sehr lukrativ für ihn werden. Das amerikanische Unternehmen, für das seine Frau beratend tätig war und das über Barbara vor fünf Jahren an ihn herangetreten war, würde sich sehr spendabel zeigen, wenn er weiterhin dazu beitrug, der Gentechnologie den Weg zu ebnen. Weidner zuckte zusammen. Wieder nahm ihm der schneidende Schmerz im Magen die Luft. Er traf ihn so unvorbereitet wie die morgendlichen Attacken seiner Frau, die ihm vorwarf, sich nicht genug um Tim zu kümmern. Mit einem Griff in die Jacketttasche zog er einen Silberstreifen Magentabletten hervor, presste eine Tablette aus der Kunststoffhülle, steckte sie schnell in den Mund und kaute so lange auf ihr herum, bis nur noch ein fahler Geschmack zurückblieb. Burkhard Weidner entspannte sich vorsichtig, denn er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis das Medikament seine Wirkung entfaltete.
    Er blätterte in dem Stoß Unterlagen aus Frankreich, die schon seit geraumer Zeit auf seinem Schreibtisch lagen. Französische Forscher hatten entdeckt, dass der an Ratten verfütterte, genmanipulierte Mais eines US-amerikanischen Herstellers zu anomalen Blutwerten und Nierenbeschwerden geführt hatte. Immerhin plante die deutsche Landwirtschaftsministerin ein bundesweites Verbot für den Anbau genau dieser Maissorte.
    Am besten nahm er Kontakt zu den Franzosen auf und forderte weiterführende Informationen an. Inwiefern er sie dann verwenden würde, müsse man abwarten. Vielleicht waren die Erkenntnisse wissenschaftlich gar nicht haltbar. Er dachte darüber nach, wie er es anstellen sollte, dass die Expertise alle aktuell verfügbaren Fakten zu transgenen Nahrungsmitteln weltweit enthielt und dennoch zu einem positiven Ergebnis kam, und sah einen Berg Arbeit vor sich.
    Burkhard Weidner presste die Lippen zusammen. Was den Verkauf gentechnisch veränderter Nahrungsmittel betraf, so nahm er sich vor, in seiner Expertise für die Kennzeichnungspflicht zu plädieren, auch wenn das Ärger mit den Amerikanern bedeuten konnte. Der Verbraucher sollte selbst entscheiden können, ob er sich von genmanipulierten Nahrungsmitteln ernähren wollte oder nicht.
    Seufzend rückte er seinen Schreibtischstuhl zurecht und schaltete den Computer ein. Solange es keine international anerkannten, europaweit gültigen Forschungsergebnisse gab, die dazu führten, dass der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen wegen gesundheitlicher Risiken zwingend untersagt werden musste, bräuchte er selbst keine Skrupel zu haben, wenn er die Gentechnologie befürwortete. Sein Finanzberater und seine Familie würden es in jedem Fall zu schätzen wissen.
    Sein Blick schweifte über den Schreibtisch, der beladen war mit Aktenordnern und Klarsichthüllen, in denen dicke Stapel Papier darauf warteten, bearbeitet zu werden. Er konnte sich noch nicht dazu durchringen, obwohl der Computer das Softwareprogramm inzwischen vollständig hochgefahren hatte. Stattdessen sah er aus dem Fenster in einen blassblauen, wolkenlosen Himmel, und ließ seinen Gedanken, die zur ersten Konferenz zurückwanderten, freien Lauf.
    Insgesamt 45 Erkrankungen

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