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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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Namen Curt Kasten ersetzt worden war.
    Er spürte Ärger in sich aufsteigen, denn er meinte zu erkennen, dass die Buchstaben von Curts Namen größer und auch fetter auf dem Papierstreifen in dem kleinen Schildchen prangten als die Buchstaben von Max’ Namen dies jemals getan hatten.
    Die Tür war nur angelehnt. Einem ersten Impuls folgend, stieß Florian sie auf, trat ein und sah sich um. Das Büro wirkte auf einmal sehr kühl und befremdlich auf ihn. Es gab keine Spuren, die vom persönlichen Charisma des neuen Inhabers gesprochen hätten. Keine Pflanze auf dem Fensterbrett, kein Foto auf dem Schreibtisch, nicht mal eine Jacke hing über der Stuhllehne. Nichts erinnerte mehr an Max. Sein Chaos war einer strengen Ordnung gewichen. Nirgendwo lagen Papierstöße, Zettel, alte Briefumschläge, Kaugummipapier oder gar Plastiktüten herum, die Max’ anstelle einer Aktentasche gern für den Transport von Bürounterlagen benutzt hatte. Alles war picobello aufgeräumt, es war, als hätte Curt den Schreibtisch exakt vermessen und mit unsichtbaren Linien in kleine Felder eingeteilt, in die er dann systematisch seine Papiere geschichtet hatte. Florian korrigierte diesen Gedanken sofort. Von geschichtet konnte keine Rede sein, es waren maximal zwei, drei Zettel, die korrekt übereinander lagen und auf drei Schreibtischfelder verteilt waren. Curt hatte immer schon zu denjenigen gehört, die es hassten, mehr Papier als nötig vor sich zu haben. Er war der moderne Managertyp, und der liebte es überschaubar.
    Als sein Blick über die Wände glitt, stellte er fest, dass auch die Fotografien von Ansel Adams verschwunden waren. Max hatte sie sehr geliebt, und Florian fragte sich, wo sie hingekommen sein konnten. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass Curt wahrscheinlich in der nächsten Stunde nicht zurückkommen würde. Es war eine weitere Redaktionssitzung anberaumt worden, und sie dauerte mit Sicherheit mindestens bis 15 Uhr. Vermutlich besprachen Curt und Katja in diesem Augenblick gerade die nächste Sendung, die die neuesten Behandlungserfolge bei Brustkrebs zum Thema hatte. Er war froh darüber, dass er momentan noch nicht mit Curt zusammenarbeiten musste, da Regine ihn glücklicherweise verschont hatte. Allerdings war er sehr gespannt darauf, wie Curt seine Kompetenz als Redaktionsleiter unter Beweis stellen würde.
    Florian kam die Idee, dass Curt die Drucke von Ansel Adams in seinem Schrank verstaut haben könnte und schaute nach, doch er fand nichts. Als er die Schranktür wieder schloss, blieb sein Blick in der Nische zwischen Schrank und Wand hängen, denn dort stand ein Laptop. Normalerweise wäre das nichts Ungewöhnliches gewesen, aber dieser Laptop sah aus wie Max’ Laptop. Florian zog ihn hervor und begutachtete ihn genauer. Es war Max’ Laptop, daran bestand kein Zweifel. Er erkannte ihn sofort an dem dicken Kratzer auf dem Deckel.
    Er stellte das Gerät auf den Schreibtisch und startete es. Schnell entschlossen kopierte Florian einige Dateien auf seinen USB-Stick, den er wie immer am Schlüsselbund bei sich trug. Überrascht stellte er fest, dass der Inhalt zweier Dateien unmittelbar einen Tag nach Max’ Tod gelöscht worden war. Er versuchte, sie wieder herzustellen, was ihm erst nach mehreren Versuchen gelang. Die eine Datei beinhaltete Adressen der Krankheitsopfer und auch die Adresse Yvonne Kosuczeks. Die andere enthielt Informationen über Weinbau an der Ahr, schwerpunktmäßig in Dernau. Florian biss sich unbewusst auf die Lippen. Dernau. Das war der Ort, aus dem der Wein stammte, den er heute Morgen erst getrunken hatte.
    Ihm war klar, dass er sich beeilen musste, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, von Curt überrascht zu werden. Während er die beiden letzten Dateien kopierte, dachte er nach. Er war sicher, dass der Laptop sich gestern nicht in Max’ Büro befunden hatte. Curt musste ihn an sich genommen haben, kurz nachdem bekannt geworden war, dass Max tot war. Aber warum? Was hatte er für ein Interesse daran, in Max’ Computer herumzuschnüffeln? War es ein rein berufliches Interesse, da er sich Vorteile von Max’ Rechercheergebnissen erhoffte, oder hatte Curt ein privates Interesse daran, herauszufinden, was Max über die Krankheitsfälle in Erfahrung gebracht hatte?
    Florian verließ Curts Büro so schnell wie möglich und übergab den Laptop Patricia, der Redaktionssekretärin. Fragend zog sie die Augenbrauen hoch, als er ihr das Gerät mitten auf ihren Schreibtisch stellte.
    »Ist das

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