Henkersmahl
»Ob die Reben viel Sonne hatten, wie es mit der Feuchtigkeit bestellt war und so weiter«, fuhr er fort. »Wir bauen in erster Linie Spätburgunder an, aber wenn man als kleiner Nebenerwerbswinzer nicht so viele Rebstöcke hat, ist es natürlich besonders schwer, mit der Konkurrenz mitzuhalten.«
Florian bemühte sich um einen vertrauenerweckenden, freundlichen Ton. »Sind Sie Horst Schäfer?«
Der Cordhosenträger nickte.
Florian atmete auf, als Schäfer sagte: »Ist vielleicht gar nicht verkehrt, so eine Sendung über uns. Was wissen Sie eigentlich über Weinbau?«
»Tatsächlich nicht viel«, antwortete Florian. In der Praxis hatte er oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen immer dann richtig warm wurden, wenn man ihnen die Gelegenheit gab, ihr Wissen unter Beweis zu stellen. Außerdem wollte er alles wissen, was auch Max hier in Erfahrung gebracht hatte. Deshalb lächelte er Horst Schäfer freundlich an. »Es wäre nett, wenn Sie mir möglichst viel erzählen. Ich hoffe, es macht Ihnen nicht allzu viel Mühe …«
Schäfer wandte sich dem Mann in städtischer Kleidung zu. »Eine Sendung über uns könnte sicher nicht schaden, was, Burkhard?«
»Hm«, sagte der Angesprochene. Er machte auf Florian einen nervösen Eindruck.
»Burkhard Weidner, ein alter Freund«, sagte der Winzer.
»Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich muss mich leider schon verabschieden. Barbara wartet.« Weidner lächelte entschuldigend in die Runde.
»Seine Frau«, erklärte Horst Schäfer, während sein Freund Florian und Jana rasch die Hand reichte, zur Begrüßung gleichermaßen wie zum Abschied.
Florian beobachtete, wie Burkhard Weidner den Winzer mit einem indifferenten Blick bedachte, bevor er mit eiligen Schritten den Hof verließ. »Dann zeige ich Ihnen mal den Weinkeller.«
Florian und Jana folgten ihm durch einen schmalen Hausflur hinunter in einen geräumigen, dunklen und kühlen Raum, in dem zwischen weiß gekalkten Wänden mehrere Behälter lagerten.
»Hier sehen Sie die 1.000 und 2.000 Liter Tanks, da drüben liegen meine Barrique-Fässer, da ist Rotwein drin. Ein Weißwein braucht den zusätzlichen Holzton nicht.« Horst Schäfer deutete mit dem Finger nach vorn, ging zielsicher auf einen der Tanks zu und strich liebevoll darüber: »Jahrgang 2007, war hier bei uns ein ganz hervorragendes Jahr.«
»Ein Riesling«, sagte er mit einem Seitenblick auf Florian. Er zeigte auf die hintere Hälfte des Kellers. »2008 war ebenfalls ein gutes Jahr, der Spätburgunder kann sich sehen lassen, obwohl wir mit zu einem der nördlichsten Anbaugebiete Deutschlands zählen.« Schäfer ging weiter. »Unsere Lage ist nicht die schlechteste.« Er deutete auf das Fass, an dem sie eben vorbeiliefen. »Der 2007er hat mittlerweile die optimale Reife erreicht und kommt bald in den Verkauf. Der 2008er braucht noch etwas Lagerzeit, der kommt erst im Sommer auf den Markt. Wie wäre es nachher mit einer kleinen Probe?«
Beide tauschten einen kurzen Blick aus, bevor Florian zustimmend nickte. »Gern.«
»Da drüben liegt er.« Schäfer zapfte aus einem Fass etwas Flüssigkeit in einen Krug. Er erklärte: »Wenn wir den 2008er abgefüllt haben, bleibt er noch ein paar Wochen in der Flasche liegen, bevor er in den Verkauf kommt. Tut der Harmonie des Weines gut.«
»Und im Moment ist mit Sicherheit nichts davon auf dem Markt?«
Schäfer sah Florian verblüfft an. »Nein, das sagte ich doch bereits.«
Sie setzten den Kellerrundgang fort, Schäfer ging ihnen voran.
»Wie viel Hektar bewirtschaften Sie insgesamt?«, wollte Florian wissen.
»Um die drei.«
»Viel Arbeit. Helfen Frau und Kinder mit?«
»Meine Frau ist mein Kellermeister, aber meine Tochter interessiert sich nicht für den Winzerberuf. Allerdings kommt sie langsam auf den Geschmack.« Schäfer lächelte und führte sie nicht ohne Stolz in die kleine Probierstube, die gegenüber dem Weinkeller lag und urig mit Holzmöbeln eingerichtet war. Er goss aus dem Krug zwei Gläser halb voll ein und bot erst Jana, dann Florian davon an. Die beiden wechselten einen kurzen Blick, und Florian registrierte das auffallende Rot des Weins. »Das ist der 2008er Spätburgunder, er muss, wie gesagt, noch etwas liegen, bevor er abgefüllt und verkauft wird, schmeckt aber jetzt schon ganz hervorragend. Die Stöcke stehen an einer der besten Lagen, am Pfarrkloster. Da würde ich gern etwas mehr anbauen.« Horst Schäfer, der sich inzwischen auch etwas eingeschenkt hatte, prostete ihnen zu.
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