Henkersmahl
kurzen Pause ergänzte Florian: »Und als erste TV-Produktion darüber berichten. Würden Sie als Experte zu uns ins Studio kommen?«
»Unsere Pressestelle hat sicher nichts gegen meine Teilnahme einzuwenden.«
»Gut.«
»Ich habe noch eine Nachricht, die Sie nicht besonders freuen wird.«
Florian stockte der Atem. »Ja?«
»Heute Vormittag sind die Laborergebnisse aus dem Referenzlabor in Leipzig eingetroffen.«
»Und?«
»Max Kilian wurde vergiftet. Mit pulverisiertem, synthetisch hergestelltem Botulinumtoxin, aufgebracht auf eine Scheibe Brot, die mit Frischkäse bestrichen war. Ich habe Kriminalhauptkommissar Rössner bereits davon in Kenntnis gesetzt.«
Florians Körper überzog eine Gänsehaut.
»Im Grunde eine schlaue Idee, denn wenn man nicht bereits den konkreten Verdacht hat und die erforderlichen Spezialanalysen durchführt, bleibt ein Mord mit Botox in der Regel unerkannt. Ohne Ihre Anregung vor ein paar Tagen wüssten wir wahrscheinlich immer noch nicht, dass Max Kilian umgebracht wurde.«
»Hat er lange gelitten?«, fragte Florian leise.
»Es war bestimmt kein schöner Tod, aber quälen Sie sich nicht mit den Einzelheiten. Niemand verdient es, so zu sterben.«
»Also war es ein schlimmes Ende?«
»Bestimmt kein schönes. Vielleicht tröstet es Sie, zu hören, dass er nach einer halben Stunde alles überstanden hatte. Ihm wurde eine hohe Dosis verabreicht.«
Nein, es tröstete Florian nicht. Er legte auf und zwang sich, nicht weiter über die letzten 30 Minuten in Max’ Leben nachzudenken.
39
Gegen 21 Uhr traf Florian in der Schreckenskammer ein, wo er mit Eddie verabredet war. Florian mochte die Legende, wonach sich der Name des Brauhauses darauf zurückführen ließ, dass in früheren Zeiten Gefangene, die im Gerichtsgebäude in der Nähe des Rathauses verurteilt worden waren, auf dem Weg zu ihrer Richtstelle hier ihre Henkersmahlzeit eingenommen hatten. Eine andere, harmlosere Erklärung, die Florian ebenso nachvollziehbar fand, besagte, dass wegen Platzmangels im Amt früher offenbar schreckliche Prüfungen für Eisenbahner hier stattfanden.
Eddie saß bereits an der Theke. Die Kneipe war relativ voll, aber die Gäste waren noch nicht übermäßig angetrunken. Zu späterer Stunde war es durchaus normal, dass mit alkoholdurchweichten Hirnen so lange hinter krausen Stirnen philosophisches Gedankengut hin und her gewälzt wurde, bis man endgültig von allem genug hatte und sich schwankend auf den Nachhauseweg machte. Bruno, der über 60-jährige Kellner mit dem halblangen Haar, war gerade dabei, Gläser zu polieren, als Florian das typische Schreckenskammer Kölsch bestellte, das nach altem Hausrezept ohne den Zusatz von Kohlensäure gebraut wurde. Bruno war ein übrig gebliebener 68er, der normalerweise stundenlang darüber sprach, wie er damals mit einigen führenden Politikern von heute auf den Straßen Kölns demonstriert hatte, und was aus denen für Idioten geworden waren. Doch jetzt machte er einen bedrückten Eindruck. Als Florian sich setzte, sprach er sofort von Max. Er sagte, wie leid es ihm um Max tue, er habe ihn sehr gemocht.
Nach einer Weile deutete Bruno auf Florians Gesicht. »Ärger gehabt?«
Florian winkte ab. »Halb so wild.«
Bruno sah ihn prüfend an, dann legte er das Geschirrtuch beiseite, stellte zwei Kölsch vor ihn und Eddie hin, zog einen Ramazzotti aus dem Regal und schenkte ein. »Kleines Trostpflästerchen. Geschenk des Hauses.«
Florian musste unwillkürlich lächeln. Brunos freundschaftliche Geste tat ihm gut. Nachdem Bruno auch Eddie und sich selbst eingeschenkt hatte, prosteten sie sich zu.
»Auf Max!«
»Auf Max.«
Eddie sah Bruno, der sich nach dem letzten Schluck Ramazzotti von ihnen entfernte, um das stählerne Spülbecken auf Hochglanz zu bringen, mit leeren Augen hinterher. Dann schaute er zu Florian und sein Blick wurde nachdenklich. »Du siehst wirklich mitgenommen aus.« Eddie war nicht verborgen geblieben, dass nicht nur der Überfall Florian zu schaffen machte.
Aus Florian brach es hervor: »Max wurde umgebracht, es ist bewiesen. Ich habe vorhin mit dem Rechtsmediziner telefoniert.«
»Also doch.« Eddie griff zum Glas. »Eigentlich haben wir ja damit gerechnet, aber jetzt, wo es wirklich wahr zu sein scheint – wie wurde er ermordet?«
»Mit Botox.«
»Wie, Botox? Ich denke, das ist was gegen Falten.«
»Ja, auch. Aber es ist zudem ein starkes Gift, das sich in verdorbenen Fisch- und Fleischkonserven bilden kann und in Käse.
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