Henkersmahl
Talkgästen hätten wir: Einen Rechtsmediziner, der die Toten obduziert hat, einen Kriminalhauptkommissar, der in Laboren gerade an Ratten testen lässt, ob der Konsum des verdächtigen Weins in Verbindung mit Acetylsalicylsäure tödlich sein könnte, sowie einen Betroffenen, der inzwischen genesen ist und das Krankenhaus soeben verlassen hat. Fehlt nur noch jemand aus der Politik, aber da finde ich bestimmt einen.«
Regine hatte aufmerksam zugehört. Jetzt betrachtete sie ihren Kugelschreiber, den sie zwischen den Händen hin und her drehte, um ihn dann mit einer entschlossenen Geste wieder auf den Tisch zu legen. »Denk dran, morgen um 13 Uhr kommt Barrick zur Ablaufbesprechung, dann müssen wir die Inhalte der Sendung klar haben.«
»Ich weiß.«
Florian fuhr mit dem Fahrstuhl hinunter in den ersten Stock, wo Jana arbeitete. Er hatte an einem Büdchen ein paar Narzissen und Ringelblumen erstanden, erste Frühlingsboten, die nun, zusammengedrückt in grünem Papier, darauf warteten, ins Wasser gestellt zu werden. In der Etagenküche suchte er nach einer Vase. Was er fand, war zwar nicht unbedingt passend, aber er arrangierte die Blumen so gut es ging. Eilig trug er sie über den Flur, konnte allerdings nicht verhindern, dass Wasser überschwappte, als sein Handy klingelte und er danach griff.
Eddie war am Apparat. »Paul Seeland ist tot.«
Florian hielt die Luft an. »Umgebracht?«
»Das weiß man noch nicht genau. Er wurde vor zwei Stunden in seinem Büro gefunden.«
»In welchem?«
»Bei ›Agrotecc‹. Ich bin gerade vor Ort. Riesenbetrieb hier, Polizei, Krankenwagen, Spurensicherung …«, sagte Eddie und fuhr hektisch fort: »Magda Frings und Paul Seeland besitzen übrigens diverse Konten in Luxemburg, es sind fast eineinhalb Millionen Euro drauf, das habe ich gestern herausgefunden. Ich muss jetzt Schluss machen.«
Noch ehe Florian etwas erwidern konnte, hatte Eddie aufgelegt. Nachdenklich setzte er seinen Weg über den langen Büroflur fort. Als er vor Janas Tür stand, hörte er aufgebrachte Stimmen.
»Sei doch nicht albern«, sagte sie ärgerlich.
»Das hat mit Albernheit nichts zu tun.«
Die Stimme gehörte zweifelsfrei Curt.
Er blaffte Jana an: »Das Ausspähen von fremden Daten steht unter Strafe!«
»Du täuschst dich, Curt. Ich spähe keine Daten aus. Dies hier ist eine ganz normale Internetrecherche.«
»Gehört die Datenbank der Polizei neuerdings zu den öffentlichen Rechercheplattformen?«
»Red keinen Unsinn.«
»Verharmlosen nützt nichts. Die Polizei wird das genauso sehen wie ich.«
Schwungvoll öffnete Florian die Tür. »Störe ich?«, fragte er betont gut gelaunt.
»Könnte man so sehen«, erwiderte Curt. »Unsere Schöne surft heimlich im Datennetz der Polizei.«
»Was du nicht sagst.« Florian wunderte sich, dass Curt so viel Energie darauf verwendete, Jana anzugreifen. Er wusste offensichtlich noch nichts vom Tod seines Onkels. Als gäbe es im Moment nichts Wichtigeres als einen Strauß gelber Narzissen mit orangefarbenen Ringelblumen, stellte Florian Jana die Vase auf ihren Schreibtisch. »Es waren die schönsten, die ich kriegen konnte.«
»Vielen Dank.« Sie war überrascht, doch selbst die Freude über den Strauß konnte die Falte, die sich steil auf ihrer Stirn abzeichnete, nicht glätten.
»Und was ist das hier, wenn ich fragen darf?« Curt deutete auf den Bildschirm. Florian beugte sich vor und las. Es war offenkundig, dass Jana eine Seite der Polizei aufgerufen hatte, abgebildet war das Vernehmungsprotokoll von Tim Weidner. Schlagartig wurde Florian bewusst, dass jeder Versuch, die Sache herunterzuspielen, zwecklos war und so sagte er: »Jana hat es für mich gemacht. Sie hat mir bei der Recherche geholfen. Du weißt, ich versuche, die Ursachen über diese Krankheitsfälle herauszufinden, und natürlich auch die wahre Todesursache von Max.«
»Du meinst, du hast Jana zu kriminellen Handlungen angestiftet?«
»Nenne es, wie du willst. Du spionierst doch auch. Oder warum hast du klammheimlich Max’ Laptop entwendet und Dateien gelöscht?«
»Das ist etwas ganz anderes.«
»So? Das glaube ich kaum. Du wolltest herausfinden, was Max über die Erbstreitigkeiten im Hause Chocolat Royal Suisse wusste, und ob er Ahnung hatte von den Konten deiner Mutter und deines Onkels in Luxemburg. Du wolltest deine Mutter rechtzeitig warnen, stimmt’s? Vielleicht warst du es, der Max ermordet hat?«
Curt wurde blass. Er zog einen Stuhl heran und setzte
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