Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
Vom Netzwerk:
entfernt auf die Bank gegenüber. Hen ning wäre lieber allein geblieben.
    «Schön hier, nicht wahr!», sagt eine. Henning lächelt nur und hofft, dass sie ihn in Ruhe lassen. Sie packen ihr Handarbeitszeug aus. Die Älteste hat einen Haufen Lap pen neben sich gelegt und näht sie zu größeren Stücken zusammen. Wahrscheinlich eine Decke, rätselt Henning. Die in der Mitte sitzt, strickt, und die Dritte hält ihr die Wolle, die sie vorsichtig aus einer Tasche genommen hat. Sie hält die Hände und Unterarme in die Höhe. Die Wolle ist um ihre Handgelenke gewickelt. Das sieht ziemlich selt sam aus. Die Wolle ist unregelmäßig und scheint vom Biobauern zu kommen oder selbst gesponnen zu sein. Hen ning muss sich ein Lachen verkneifen, als er die drei langsam in ihre Arbeit versinken sieht. Die Quelle gluckert vor sich hin. Henning füllt eine Flasche mit Quell wasser, dann macht er sich auf. Er will sich doch lie ber ein einsames Plätzchen suchen. Er verabschiedet sich von den drei Frauen.
    «Es ist wirklich ein Lebenswerk, das wir machen!», sagt die eine. Henning lächelt. «Aber mach dir keine Ge dan ken, wir kriegen das schon hin!», sagt die Zweite.
    «Da bin ich mir sicher», antwortet Henning, denn Irren widerspricht man nicht.
    «Du machst aber nicht den Eindruck!», sagt die Erste. Es klingt vorwurfsvoll.
    «Das ist wirklich ein Lebenswerk, das wir hier ma chen», sagt die Dritte, die mit der Wolle um die Hand.
    «Ich spinne die Wolle selbe r» , sagt sie. «Das ist das Wichtigste, auch wenn es nicht so aussieht. Die Wolle ist die Grundlage.»
    «Ich stricke», sagt die Zweite von der Mitte der Bank aus: «Und das ist das Entscheidende.»
    «Ich mache das Muster aus den Lappen, füge alles rich tig zusammen, damit es gut wird», sagt die Dritte. «Das ist das Wichtigste.»
    Jetzt hat jede mal was gesagt, und Henning verabschie det sich. Er dreht sich rasch um, damit sie nicht ins Philo sophieren kommen. «Schließlich muss man wissen, was man will», fügt die Dritte noch hinzu. «Sonst hat man ein Plaid und wollte eine Decke.»
    Henning geht also weiter in den Wald, setzt sich auf eine Lichtung und macht ein Schläfchen auf dem wie chen, bemoosten Boden.
     
     
     
    50
     
    Isabell ist alleine zu Hause. Es ist Samstag, und die Welt ist nicht aus den Fugen gebrochen, aber wohl ist ihr nicht. Freitag hat sie geheult, weil sie sich so geschämt hat. Heute denkt sie schon, dass sie geweint hat, weil sie wütend auf die ganzen Idioten war. Sie hätte gerne Hen ning angerufen. Als Erik weg war, hat sie den Telefon hörer schon in der Hand gehabt. Dann ist ihr eingefallen, dass sie zerstritten sind und Henning auf einem anderen Kontinent steht, zu dem es keine Telefonleitung gibt.
    Vielleicht müsste man eben einen Ozeandampfer rü ber schicken, der das erste Kabel verlegt. Zweimal haben sie sich so gestritten, dass nicht klar war, ob die Freund schaft weitergeht. Diesmal ist sie dran, sich zu entschei den. Sie fühlt sich verletzt. Das würde sich auch nicht än dern, wenn sie sich jetzt vertragen. Sie sehnt sich nach sei ner Stimme. Inzwischen hat sie auch mal daran gedacht, dass man sich wahrscheinlich nicht dazu entscheidet schwul zu sein, um seine beste Freundin zu ärgern. Also. Sie ruft ihn an. — Nein, sie legt auf. Er soll sich melden. Sie kommt ohne ihn klar.
     
     
     
    51
     
    Henning weiß nicht, ob Steffen wirklich verliebt ist. Kann sein. Kann aber auch sein, dass er erstens einfach nett und zweitens eine Frohnatur ist. Henning wählt Stef fens Nummer, um sich zu verabreden. Am andern Ufer das Ozeans sagt Isabell: «Isabell.» Henning holt Luft und legt erschrocken auf. Verwählt hat er sich.
    Steffen hat Zeit. Sie treffen sich im Kino. Nachmittags vorstellung um siebzehn Uhr. Im dunklen Kino halten sie Händchen. Leider ist der Film wirklich lustig, so dass sie gar nicht zu weiteren Zärtlichkeiten kommen. Nur einmal legt Steffen seine Hand eine Weile in Hennings Schritt. Hen ning lacht, und leicht streicht die Hand an seinem Schwanz entlang. Henning freut sich über das sexuelle Interesse, das Steffen bekundet.
    Dann gehen sie zu Steffen und der gibt sich Mühe, was zu kochen. Klappt auch ganz gut. Henning findet es be ruhigend, dass Steffen da auch kein Profi ist. Er nimmt sich vor, mal Steaks für ihn zu machen, wenn er sturm freie Bude hat.
    «Mach doch mal Musik an!», sagt Steffen. Henning geht ins Wohnzimmer. Er bleibt in der Tür stehen. «Ahaa!», ruft er. Steffen ist hinterhergekommen

Weitere Kostenlose Bücher