Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Brühl
Vom Netzwerk:
kannst du ja nicht machen. Komm halt einfach ins Wohnzimmer und tu, als w ä r nichts gewesen.»
    «Ist das dein Ernst?», fragt Isabell. «Ich kann doch jetzt nicht zu den ganzen Leuten gehen.»
    «Was willst du denn sonst machen?»
    «Ich schick sie alle nach Hause.»
    «Du machst alles nur noch schlimmer, wenn du jetzt nicht cool bleibst.»
    «Ja», seufzt Isabell und setzt sich hin.
    Andrea setzt sich zu ihr. «Machst du das öfters, mit der Kat ze?»
    Isabell sieht sie entrüstet an. «Nein. Das ist so ge kom men. Ich weiß auch nicht, ich hab nicht drüber nachge dacht, und Friedrich hat geleckt.»
    «Mir kannst du ’ s doch sagen», dringt Andrea in sie.
    «Nein, wirklich nicht, es war das erste Mal.»
    «Und wie war es?», fragt Andrea.
    «Probier ’ s aus!», sagt Isabell roh. «Seine Zunge ist warm und rau. Wenn man die Augen zumacht, ist es kei ne Katze mehr.»
    «Sondern?», fragt Andrea.
    «Ein Gefühl», sagt Isabell.
    Andrea sieht ihr in die Augen. «Ich würde das nie machen, mit einer Katze.»
    «Es ist halt passiert!», sagt Isabell. Sie wird sauer auf Andrea. Erst fragt sie sie aus und dann raunzt sie sie an. «Es ist halt passiert. Ich hatte es nicht vor.»
    «Ja, ja, entschuldige! Reg dich nicht auf!»
    Isabell hört, wie sich die Wohnzimmertür öffnet. Im Flur sind Stimmen zu hören. Einer scheint im Wohn zim mer Musik angemacht zu haben. Jemand kratzt an der Tür. Isabell steht schnell auf und schließt die Küchentür ab. Eine Jungenstimme macht Miau, Miau. Isabell schießt das Blut in den Kopf. Im Flur ertönt Gelächter. Mehr Leu te miauen. Lachen und Kichern beißen in Isabells Ohren. Sie zögert, schließt wieder auf. Wütend reißt sie die Kü chen tür auf: «Verschwindet jetzt, ich will euch nie wieder sehen! Was fällt euch ein, in mein Haus einzudringen! Das ist Hausfriedensbruch! Das ist Einbruch! Haut ab! Ihr spinnt wohl!» Sie wirft die Tür zu und atmet durch.
    Eine von der Intensität von Isabells Wut betroffene und peinlich berührte Horde jugendlicher Mädchen und Jungen zieht ab. Nicht ohne dass die Mutigen unter den Herren noch ein bisschen miauen, kurz bevor sie aus dem Haus verschwinden. Isabell hört es leise von der Küche aus, in die sie sich wieder zurückgezogen hat, um abzu warten bis die Luft rein ist. Ein paar Mädchen kichern, ein Junge lacht. Isabell stiert vor sich hin auf den Boden. And rea hat sie auch weggeschickt, aber ohne zu schreien und in einem Ton, der um Verständnis bittet. Dass die ande ren ihr ja nur eine Freude machen wollten, hat Andrea zu ihrem Gebrüll gesagt. Dass sie es weiß und dass es ihr jetzt egal ist. Was sie denn sonst hätte machen sollen, hat Isabell geantwortet. Die Tür fällt ins Schloss und im Haus ist alles wieder still.
    Isabell atmet erleichtert auf.
    Sie geht durch alle Zimmer des Hauses um zu sehen, ob die Luft wirklich rein ist. Ins Wohnzimmer geht sie zu letzt. Auf einem Sessel, der der Tür den Rücken zuwen det, sitzt Erik. Nur ein Stück seiner Beine und seine Füße in ausgelatschten Turnschuhen sind zu sehen.
    «Erschrick nicht!», sagt er, als er sie reinkommen hört.
    «Ich hatte dir doch gesagt, du sollst abhauen!»
    «Mir hast du gar nichts gesagt.»
    «Ich hab ’ s allen gesagt, und es gilt auch für dich! Ich kann ’ s dir auch noch mal sagen, wenn du eine persön li che Ausladung brauchst!»
    Erik hat sich vorgebeugt und sieht sie an. «Du siehst voll geil aus, wenn du weißt, was du willst.»
    «Halt ’ s Maul!», sagt Isabell, aber man hört das Lachen durch ihre Stimme vibrieren.
    «Setz dich zu mir!», sagt Erik. Isabell geht ein paar Schrit te auf ihn zu. Der Wohnzimmertisch kommt in Sicht weite. Erik hat zwei Kognakschwenker aus der Vitri ne genommen, und der Feiertagskognak von Isabells Mut ter steht auf dem Tisch. Erik hält sein Glas in der Hand. Das andere steht gefüllt auf dem Tisch.
    «Trink erst mal auf den Schrecken!», sagt Erik und reicht ihr das zweite Glas. Isabell nimmt es und kippt es runter.
    «So eine Scheiße!», sagt sie und hält ihm das Glas hin. Er schenkt nach. Isabell zieht den anderen Sessel zu Eriks Sessel und setzt sich. Die Beine legt sie auf den Wohn zim mer tisch. Weniger, weil es bequem ist, als weil ihre Eltern nicht da sind.
    «Ich find ’ s nicht schlimm», sagt Erik und lacht leise.
    «Wirklich nicht?», fragt Isabell nach.
    «Nö. So was kommt vor.»
    Isabell sieht ihm erleichtert in die Augen.
    «Du hast voll gut ausgesehen wie du da gesessen hast.» Isabell atmet

Weitere Kostenlose Bücher