Henningstadt
kommen.»
«Und so soll es bleiben!», sagt der Referent jovial, in dem er aufsteht. «Wenn sie sich unauffällig benehmen, haben wir nichts gegen sie, aber im öffentlichen Stadtbild wollen wir sie nicht haben.»
Christian steht auch auf und beschließt, auf der Stelle Millionär zu werden und Henningstadt aufzukaufen. Zu Hause angekommen, liest er in seinen lieben alten RAF-Büchern und beschließt, ein paar kleine Bömbchen im Rat haus zu verteilen, weil er gegen Gewalt ist.
Und für Verwaltung! Zum Glück ist sein Reisepass abgelaufen, so dass er einen Grund hat, sich dort auf den Gängen rumzutreiben.
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Er ruft Steffen an. Steffen und Henning sind seit zehn Minuten fertig. Die Mutter Gottes war so gut, dafür zu sorgen, dass Steffen sich den mittlerweile verzweifelt hys te ri schen Christian wenigstens in entspannter Gemüts la ge anhören kann. Er erzählt ihm also von dem ignoranten und fetten Referenten und Steffen gibt ihm Recht, dass der das letzte Arschloch ist. Die Zustimmung beruhigt Chris tian. Steffen meint, Tete würde sicher vorschlagen, das Bürgermeisterbüro zu stürmen, den Amtsinhaber zu fesseln und mit selbst gebrautem Kaffee zu foltern.
Steffen macht es sich leicht, alles schwulenpolitische En gagement in Henningstadt mit einem hoffnungslos! abzutun: Von Anfang an hat er beschlossen, dass ihn diese Geschichten nichts angehen. Steffen kommt nicht von hier und will irgendwann auch wieder weg. Es hat ihn halt hierher verschlagen. Christian will in dieser Stadt wohnen. Und sich zu Hause fühlen. Dazu braucht es ein Min destmaß an schwulen Strukturen und schwulen Selbst verständlichkeiten. Deshalb macht er die selber. Des halb ist er der schwule Reporter bei seiner Zeitung.
Henning lacht über Tetes imaginären Vorschlag und erkundigt sich, wer das denn ist. «Nofretete — englisch Nofrätie-tie zu sprechen — ist eine Freundin in Berlin. Wir hatten mal was», sagt Steffen. «Eine Tunte.» Was eine Tunte eigentlich ist, will Henning wissen. Was eine Tunte eigentlich ist, weiß Steffen auch nicht. Tete jedenfalls läuft normalerweise in Männerkleidung rum und fummelt sich nur manchmal auf, also zieht Frauenkleidung an. «Aha», sagt Henning.
«Sie sieht gut aus und ist ‘ ne Kluge, nur ein bisschen gestört ist sie.»
Henning runzelt verwundert die Stirn. «Warum macht sie das?», will er wissen.
«Um ihre weibliche Seite zu zeigen!»
Henning wartet ab. «Also ich glaube, sie macht es, weil sie einfach Lust drauf hat. Sie ist sehr ironisch, wenn sie ihre Sachen anhat, also sonst auch, aber dann mehr. Und sie ist — also man merkt, dass sie sich wohlfühlt in Frau en kleidern. Es ist keine Verkleidung! Es ist — weiß auch nicht.»
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Lieber Henning!
Ist er nicht wunderbar, der liebe Steffen? Und frage mich nicht, wie lange es gedauert hat, bis er das mit dem Tunten tum so schön erklären konnte! Einerseits gibt er eine Definition, andererseits lässt er den Begriff offen. Das ist genau so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Und zu diesem laxen wir hatten mal was: Fressen wollte er mich! Und nur, wenn ich die blonde Perücke aufhatte! Viel leicht schick ich sie dir einfach mal, dann kannst du sehen, was passiert. Ich weiß nicht, vielleicht braucht er auch keinen Kopf unter dem Dutt. Du hältst es ihm ein fach hin, und er fängt an zu sabbern: Weißer Schaum bildet sich um seine Mundwinkel, sein primäres Geschlechtsmerkmal erhebt sich zu seiner vollen Schönheit und wenn du ihm die Perücke in den Schritt hältst, spritzt er seine salzige Lösung dagegen. Aber das nur am Rande. Ich hoffe, Steffen ist es nicht unangenehm, wenn ich das ausplaudere. — Wahrscheinlich stimmt es auch nur halb.
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«Und du findest, er sieht gut aus — so im Fummel?», er kundigt sich Henning.
«Ja.»
«Erotisch?»
«Na ja, was heißt erotisch. Also, ja, klar, steht ihr gut, sieht geil aus.»
«Ihm oder ihr?»
«Ist ihr glaub ich egal. Also sie vielleicht eher.»
«Und du findest sie geil? — Du bist doch schwul!»
«Ja. Also, ich steh nicht so besonders auf Fummeltri nen, du hast schon Recht. Aber Tete ist eben meine Freun din. Wir waren aber schon ewig nicht mehr im Bett.»
Steffen holt Luft, denkt nach und findet, er kann ja auch mal didaktisch sein, das war ja überhaupt der Auf hän ger, warum Henning seine Nummer haben wollte: «Also, du fängst gerade an, schwul zu werden und bist begeistert, weil du nun weißt, was Sache ist, oder so.
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