Henningstadt
Ruck und macht das, was er ma chen will. Er sieht Henning an, nimmt seine Hand, beugt sich zu ihm, küsst ihn und sagt, dass er sich freut, dass Henning hier ist und dass er den ganzen Weg von der — den ganzen Weg lang an ihn gedacht hat und daran, dass er ihn vermisst.
Dann umarmen sie sich und Tete muss sich schon wie der in Acht nehmen, die romantische Szene nicht durch einen bissigen Kommentar zu stören.
Tete macht einen Mocca für alle, und Henning erzählt, was in Henningstadt los ist. Die Geschichte mit dem nie dergeschlagenen Lars hat Steffen gar nicht mitbekommen. Vielleicht ist er ja schon aus dem Koma erwacht, sagt er. Henning erzählt die Geschichte mit den Eltern und muss noch mal kurz weinen, weil er Angst hat, was sein wird, wenn er wieder nach Hause kommt.
Ein paar Jahre wird er wohl noch mit seinen Eltern zusammenleben müssen.
Steffen denkt, dass es bloß gut war, dass er wenigstens einen Zettel geschrieben hat, so dass Henning rauskriegen konnte, wohin er gefahren ist. Er macht sich Vorwürfe. Morgen wollen sie bei Isa anrufen, um zu hören, wie es Lars geht.
«Und jetzt denkst du, dass man zu Tode geprügelt wird, wenn man schwul wird, weil genau das gerade pas siert ist», stellt Steffen entsetzt fest. «Das ist ja scheiße! Mir ist nie was passiert, von irgendwelchen blöden Kom men taren abgesehen. Auf allen Klappen der Welt nicht. Das war ein blöder Zufall. Streich das aus deinem Kopf!»
Henning sieht Tete fragend an. Die nickt, obwohl sie durchaus ein paar Mal Probleme hatte. Das war aber, als sie im Fummel war. Und das ist noch mal was anderes. «Ihr mit eurem Park auf dem Friedhof. Das ist doch auch total bescheuert! Wir gehen morgen mal zum Allegorien brunnen, Henning. Da ist es total nett.»
Tete denkt, dass Henning noch genug über antischwu le Gewalt erfahren wird. Man kann das ruhig erst mal run terspielen. Auf jeden Fall ist es nicht so schlimm, dass man nicht in Ruhe leben kann. Henning sieht Steffen an. «Also wir können gerne zum Alle-Brunnen, aber Henning macht da nichts!», lacht der.
«Du kommst gerade aus der Sauna und machst die nem Freund keine Vorschriften!» Tete ist sehr für die Gleich berechtigung jüngerer Freunde. Steffen gibt ein kur zes gurgelndes Geräusch von sich und Henning grinst.
«Genau!», sagt er kokett. Außerdem hat er gehört, was Tete gesagt hat: dass er sein Freund sei.
«Bist du mit mir zusammen?», fragt Henning. «Sind wir zusammen, Freunde?» Durch Strahlen von einem Ohr zum anderen gibt Henning seine Meinung zu dieser Frau ge kund. Das ist das Geschickteste, was er machen kann. Angestrahlt sieht sich Steffen zu einer Aussage genötigt.
Da klingelt das Telefon.
«Das ist das Schicksal!», sagt Tete. «Beeil dich!»
Steffen strahlt auch und sagt ein wunderschönes, zar tes Ja.
«Darauf trinken wir!», sagt Tete. Henning und Steffen knutschen. Tete steht auf und sucht die Sektflasche am falschen Ort, damit die beiden ihrer wieder gefundenen Liebe in Ruhe durch einen Kuss Ausdruck verleihen kön nen. Dann macht Tete den Sekt auf. Zum Glück schäumt er über, so dass sie wenigstens mal kurz kreischen kann. Diese akkumulierten Spannungen an einem einzigen Abend!
74
Am nächsten Morgen sind die beiden ganz ein Herz und eine Seele. Tete wird es fast ein bisschen zu viel, aber sie hat sich vorgenommen, das junge Glück, das zu ver bin den sie ja schließlich geholfen hat, nicht durch flapsige Bemerkungen zu stören. Sie kommt sich vor wie das drit te Rad am Fahrrad. Morgen fahren die beiden ab. Sie sind herzlich eingeladen, bald mal wiederzukommen, aber jetzt reicht ’ s erst mal mit Besuch. Diese Nacht hat sie in der Küche verbracht, weil sie nett ist. Damit die beiden ungestört sind. Und das waren sie auch. Gestört war eher Tete, die Geräusche und Stimmen gehört hat.
Steffen ist ein bisschen mulmig zumute. Er ist auf jeden Fall total erleichtert, dass er aufgehört hat mit der Ich-bin-ein-Steppenwolf-Geschichte. Aber Henning scheint halt wirklich anhänglich zu sein.
Henning hat in der letzten Nacht Steffens Haar ent deckt. Er krault ihm immer wieder den Kopf, und Steffen findet es einfach nur schön, so dazuliegen und sich ver wöh nen zu lassen. Henning ist total süß, und obwohl er in seinem jungen Alter schon eine beträchtliche Samm lung neurotischer Phänomene vorzuweisen hat, ist er in vielerlei Hinsicht auch vollkommen unkompliziert. Zum Beispiel hat Steffen einfach das sichere Gefühl, dass Hen
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