Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
derjenige, der
grinste. Jeremy sah aus, als würde er jeden Moment explodieren.
Kapitel 10
Pärchenbildung
Nervös zuppelte ich an
meiner Krawatte herum. Heute Abend war es also soweit. Der Frühlingsball.
Hannah und ich. Kaylen. Tanzen. Und diese bescheuerte Krawatte saß immer noch
nicht richtig. Sie schnürte mir die Luft ab.
Mein
Spiegelbild war auch nicht gerade überzeugend, als ich es in meinem Rückspiegel
kontrollierte. Ich wollte aussehen wie Bond, machte aber eher den Eindruck
eines Leichenbestatters. Durch das Schwarz des Anzugs und meiner Haare,
schimmerte mein Gesicht noch unnatürlicher als sonst. Ich hatte es sogar mit
Bräunungscreme versucht, doch leider konnte das Ergebnis nicht überzeugen.
Ich
wurde orange.
Anschließend
stand ich eine geschlagene Stunde im Badezimmer und schrubbte mein Gesicht, bis
ich auch die letzte Pigmentschicht abgekratzt hatte. Nach diesem Desaster
blieben nur noch zwanzig Minuten, um mich fertig zu machen.
Anstatt
mein Deo dort zu versprühen, wo es hingehörte, landete es in meinen Augen. Halb
blind sprang ich in meinen Anzug, verhedderte mich in der Hose, und brach mir
den rechten kleinen Zeh. Isobell stand die ganze Zeit daneben und schien sich
nicht entscheiden zu können, ob sie mich bemitleiden oder auslachen sollte. Ich
knurrte sie an, damit sie sich verzog. Anschließend bereute ich, dass ich sie
verscheucht hatte, denn mein Haar wollte selbst nach der Gelbehandlung nicht
so, wie ich wollte.
Anstatt
cool in die Höhe zu stehen, wie bei Brad Pitt, der auf unserer Fernsehzeitung
prangte, verwandelte sich mein Haupthaar zu schleimigen Löckchen. Schließlich
wusch ich das ganze Zeug raus und tropfte mein Auto voll. Während ich darauf wartete,
dass mein Zeh wieder richtig anwuchs, strangulierte ich mich mit meiner
Krawatte.
Da
lebte man über hundert Jahre und hatte so viele Bälle besucht, und war trotzdem
nicht fähig, einen blöden Krawattenknoten zu binden! Trotzig startete ich den
Wagen. Ich hätte Isobell um Hilfe bitten sollen, doch ich war zu stolz, es
wirklich zu tun.
Gegen sieben fuhr ich mit
meinem Polo an der Buchhandlung vor, starrte mürrisch in den Spiegel und betete
inständig, dass Jeremy dieses Mal Zuhause geblieben war. Hannah stand schon vor
der Tür, in eine dünne Jacke gehüllt. Ein dunkelroter Saum fiel um ihre Beine.
Keine
Spur vom Wachhund. Warum wir uns unbedingt vor ihrem Buchladen treffen mussten,
war mir zwar immer noch schleierhaft, doch Hannah hatte darauf bestanden. Und
wenn ich bisher eines über Hannah gelernt hatte, dann, dass man nicht anfangen
sollte, mit ihr zu diskutieren.
Sie
sah anders aus als sonst. So schick, irgendwie. Ihre Haare waren offen, ihre
dicke schwarze Brille fehlte.
„Hi“,
bibberte sie, als sie auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
„Verdammt,
warum hast du bei der Kälte nicht drinnen gewartet?“, fuhr ich sie an, während
ich die Heizung hochdrehte.
Sie
zuckte mit den Schultern und rutschte auf dem Sitz herum, als fühlte sie sich
unwohl. Ob es an den alten Sitzen lag? Ich mochte mich ja an die Sprungfedern
gewöhnt haben, die sich mir in Gesäß und Rücken bohrten, aber sie war
wahrscheinlich Besseres gewohnt, wenn sie mit Jeremy durch die Gegend düste.
Vor
meinem geistigen Auge sah ich die beiden, wie sie eng aneinander geschmiegt
durch die Nacht fuhren – und begann zu prusten. Die Zwei hatten ja schon
Probleme, ein normales Gespräch miteinander zu führen, geschweige denn dass sie
einander anfassen konnten ohne dabei zusammenzuzucken.
Ich
atmete tief durch und fühlte mich schon ein Stückchen lockerer. Mittlerweile
waren auch meine Haare getrocknet. Ich war startklar. Dann drehte ich mich
Hannah zu. Sie hatte bisher nicht mehr als „Hi“ gesagt. Sehr ungewöhnlich.
„Alles
okay mit dir?“, fragte ich.
Sie
nickte.
Die Autofahrt zurück nach
Spoon verlief ruhig. Einerseits genoss ich es, dass Hannah ausnahmsweise mal
die Klappe hielt, andererseits machte mich das noch nervöser. Ohne Ablenkung
blieb viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Der Gedanke an Kaylen wog schwer. Mein
Magen fühlte sich an, als hätte ich einen kalten Stein verschluckt. Ich parkte
den Wagen auf dem Parkplatz vor der Turnhalle. Er war fast voll.
Hannah
und ich stiegen aus und liefen an den Autos vorbei. Nun, eigentlich lief Hannah
nicht, sie stöckelte. Und das nicht gerade graziös. Das konnte doch nicht so
schwer sein.
Unter
anderen Umständen hätte ich jetzt einen Witz losgelassen um die
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