Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
er
sich auf und stakste – wenn auch noch etwas unbeholfen – von der Straße.
Ein
kurzer Blick in Richtung Hannah, dann verschwand Jeremy in der Dunkelheit.
„Er
lebt noch.“ Meine Stimme klang seltsam fremd. Der Geruch von so viel Wolfsblut
war mir unangenehm. Wohl eine Art instinktive Abwehrreaktion.
„Ja“,
sagte Hannah. „Wir Wölfe sind stärker als man denkt.“ An ihrem Hals rann ein
Rinnsal Blut, dass sie unwillkürlich wegwischte. Ich starrte noch immer auf die
Stelle wo er verschwunden war. „Wo will er hin?“
Sie
zuckte mit den Schultern und presste die Jacke enger um sich. „Was ist mit dem
Autofahrer?“
Ich
hörte, dass sie kurz davor war zu weinen, auch wenn sie mir den Rücken
zugedreht hatte.
„Ich
seh‘ nach.“
Nur
mit Mühe gelang es mir die Tür des Geländewagens zu öffnen und den korpulenten
Mann aus dem Wrack zu befreien. Sein Blut hatte eine ganz andere Wirkung auf
mich, doch ich versuchte mich zusammenzureißen. Wenigstens einmal durfte ich
nicht an Essen denken!
„Hallo?
Können sie mich hören?“ Ich ohrfeigte ihn sachte. Doch der Kerl war nach wie
vor besinnungslos. „Es scheint nicht so schlimm zu sein. Wir müssen ihn aber
trotzdem ins Krankenhaus bringen.“
Hannah
nickte. Dann brach sie auf offener Straße zusammen.
Das
war zu viel für sie. Ich ließ den Dicken liegen und verfrachtete sie in meinen
Wagen. Meine Augen richtete ich starr in den Himmel. Ich war immerhin ein
Gentleman, auch wenn das Hannah sicherlich überrascht hätte.
Hinten
hatte ich eine Decke, die ich über ihren Körper warf.
Dann
wand ich mich dem Unglücksfahrer zu. Neben dem Blut nahm ich den scharfen
Geruch von Hochprozentigem war. Mit zunehmender Abscheu trug ich ihn auf den
Beifahrersitz.
Nachdem
ich beide fachgerecht festgeschnallt hatte, beseitigte ich die Unfallspuren.
Der Landrover hatte ein Rad verloren und das, was zuvor eine Frontscheibe
gewesen war, bedeckte nun die Straße mit einem glitzernden Scherbenmeer.
Mit
den Füßen schob ich den gröbsten Dreck beiseite. Nicht, das hier noch einer
verunglückte.
Der
Regen hatte bereits einen Teil des Blutes davon gespült.
Nun
sah es aus wie die Überreste eines Rotwildunfalls.
Nass
bis auf die Knochen mit zwei bewusstlosen Menschen in meinem kleinen Polo, fuhr
ich los. Fast im Schritttempo.
Der
Schreck saß auch mir noch immer im Genick.
Auch
wenn ich es nicht erwartete, hielt ich immer wieder Ausschau nach einem grauen
Pelz im Wald, denn ich wurde das Gefühl nicht los, dass Jeremy uns folgte.
Womöglich
war das aber auch nur Stuss.
Der
verletzte Wolf hatte sich sicher in einer Höhle zurückgezogen um seine Wunden
zu lecken.
Was
wurde jetzt aus ihm? Verheilten seine Wunden so schnell wie die eines Vampires?
Wurde
er nun Teil von Ethans Rudel? Und wie ging es mit ihm und Hannah weiter? Ich
konnte mir gut vorstellen, dass sich Jeremy – sobald er denn wieder zur
Besinnung kam – furchtbare Vorwürfe machte.
Dass
er sich schuldig und abartig vorkam, so wie ich, als ich Kaylen fast –
Hör
auf, Henry! Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun!
In der Notaufnahme war es
grell und hektisch.
Der
Dicke wurde auf eine Trage geschnallt. „Er hatte einen Autounfall“, erklärte
ich. „Er hat einen Hirsch angefahren.“
Der
Notfallarzt nickte. „Wurde die Polizei bereits verständigt?“
Ich
schüttelte den Kopf.
„Dann
holen sie es schleunigst nach!“
Ich
versprach es. Von Hannah erwähnte ich nichts. Ich hatte das vage Gefühl, dass
es schwer sein würde, zu erklären, warum sie halbnackt und ohne Bewusstsein auf
dem Rücksitz meines Polos lag. Nachher dachte noch einer, ich hätte ihr
irgendwelche Drogen verabreicht.
Außerdem
wurde Hannah sicher wieder. Denn wie sie sagte, Wölfe waren wohl doch stärker,
als ich angenommen hatte.
Hoffentlich
behielt sie auch dieses Mal Recht.
Kapitel 29
Der entlaufene Hund
„Wie geht’s dir?“
Hannah
runzelte die Stirn. Sie lag noch immer auf meiner Rückbank, in eine karierte
Picknickdecke eingewickelt wie in einen Kokon. Sie sah ganz schön fertig aus,
doch wer würde das nicht, nach solch einer Nacht?
Sie
sah mich fragend an. „Was ist passiert? Ist Jeremy-“
„Er
ist am Leben. Nach dem Unfall im Wald verschwunden. Der Fahrer hat es auch
überlebt. Du bist plötzlich ohnmächtig geworden. Scheint, als wären alle
Beteiligten mit einem blauen Auge davongekommen,… Es ist sieben Uhr morgens. Du
hast geschlafen wie ein Murmeltier. Wir parken übrigens vor
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