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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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bei Leuten, die unter Druck stehen. Ist denn in letzter Zeit irgendwas passiert, das daran schuld sein könnte, daß er durch ... daß er einen Nervenzusammenbruch erlitten hat?«
    »Eigentlich fällt mir nichts Besonderes ein«, sagte Eva, entschlossen, jegliche Erwähnung von Dr. Kores und ihrem schrecklichen Säftchen aus dem Spiel zu lassen. »Natürlich gehen ihm die Kinder manchmal auf die Nerven, und neulich passierte diese gräßliche Geschichte mit dem toten Mädchen in der Berufsschule. Henry war darüber schrecklich bestürzt. Und dann hat er noch im Gefängnis unterrichtet ...« Sie hielt inne, bis ihr wieder einfiel, was sie an der Sache besonders beunruhigt hatte. »Er hat einem abscheulichen Menschen namens McCullam jeweils am Montag und Freitag abend Unterricht gegeben. Jedenfalls hat er mir das gesagt, doch als ich im Gefängnis anrief, erfuhr ich, daß das gar nicht stimmte.«
    »Was stimmte nicht?« fragte Flint.
    »Er ist freitags nie dort gewesen«, sagte Eva, der angesichts dieses Beweises, daß Henry, ihr Henry, sie angelogen hatte, Tränen in die Augen traten.
    »Aber er ist jeden Freitag weggegangen und hat behauptet, er ginge dorthin?«
    Eva nickte mechanisch, und einen Augenblick lang empfand Flint fast Mitleid mit ihr. Eine mittelalterliche Matrone mit vier verdammten kleinen Rabauken, die das Haus in einen Raubtierkäfig verwandelten, und sie wußte nicht, was Wilt so alles trieb. Nun, dann war es wohl höchste Zeit, daß sie es erfuhr. »Also, Mrs. Wilt, ich weiß ja, daß es nicht leicht ist ...«, begann er, aber zu seiner Überraschung kam Eva ihm zuvor. »Ich weiß schon, was Sie sagen wollen«, unterbrach sie ihn, »aber das ist es nicht. Wenn es eine andere Frau wäre, warum hat er dann den Wagen bei Mrs. Willoughby gelassen?«
    »Den Wagen bei Mrs. Willoughby gelassen? Wer ist denn Mrs. Willoughby?«
    »Sie wohnt in Nummer 65, und dort stand der Wagen heute morgen. Ich mußte ihn erst holen. Wozu sollte er das tun?« Es lag Flint auf der Zunge zu sagen, daß er es an Wilts Stelle genauso gemacht hätte, nämlich den Wagen am Ende der Straße stehenzulassen und die Beine in die Hand zu nehmen, als ihm etwas anderes einfiel.
    »Warten Sie hier«, sagte er und verließ den Raum. Draußen auf dem Gang zögerte er einen Augenblick und überlegte, wen er fragen sollte. An Hodge würde er sich keinesfalls wenden, aber da war ja noch Sergeant Runk. Er beschloß, Yates zu schicken, und ging in dessen Büro, wo der Sergeant an der Schreibmaschine saß.
    »Hab einen Auftrag für Sie, Yates«, sagte er. »Unterhalten Sie sich doch mal mit ihrem Freund Runk und stellen Sie fest, wohin die Wilt gestern abend gefolgt sind. Ich habe seine Alte in meinem Büro. Und lassen Sie ihn nicht merken, daß ich an der Sache interessiert bin, verstanden? Nur eine beiläufige Frage ihrerseits.« Er setzte sich auf die Schreibtischkante und wartete. Fünf Minuten später kam Yates zurück.
    »Schöne Bescherung«, berichtete der Sergeant. »Sie haben den kleinen Saukerl mit Peilgeräten raus bis Baconheath verfolgt. Er bleibt eineinhalb Stunden drin und rast dann wie ein Irrer davon. Runkie meinte, so, wie Wilt gefahren ist, hat er gewußt, daß sie ihm auf den Fersen sind. Jedenfalls haben sie ihn verloren, und als sie den Wagen wiederfanden, stand er vor einem Haus am Ende von Wilts Straße, und ein verdammtes Riesenvieh von Hund hat versucht, die Tür aufzukriegen, um Hodge an die Gurgel zu springen.«
    Flint nickte, behielt jedoch seine freudige Erregung für sich. Er hatte bereits genug getan, um Hodge genauso saudumm dastehen zu lassen, wie er war; er hatte den Bullen und Clive Swannell und diesen kleinen Scheißer Lingon weichgeklopft und ihnen unterschriebene Aussagen abgeluchst, und während der ganzen Zeit hatte Hodge Wilt verfolgt. Warum also sollte er ihn noch tiefer hineintauchen?
    Andererseits, warum nicht? Je tiefer der liebe Kollege sank, um so weniger wahrscheinlich würde er wieder hochkommen. Und das galt nicht nur für Hodge, sondern auch für Wilt. Dieser Bastard war der eigentliche Grund für Flints sämtliche Miseren, und ihn jetzt gemeinsam mit Hodge durch den Dreck ziehen zu können bildete die vollkommene Gerechtigkeit. Außerdem mußte Flint die Sache mit Lingon über die Bühne bringen, so daß ihm etwas Abwechslung gerade recht war. Und wenn es je eine willkommene Abwechslung gegeben hat, dann saß sie jetzt in Gestalt von Mrs. Eva Wilt in seinem Büro. Das einzige Problem bestand

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