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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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das«, brauste Mavis auf. »Ich sagte, Mr. Wilt habe vorgeschlagen, ich solle mich wegen der Bücher über englische Kultur mit ihm in Verbindung setzen, und da hat er plötzlich aufgelegt.« Nachdenklich machte sie eine Pause.
    »Weißt du was, ich könnte fast schwören, daß er ängstlich klang.«
    »Ängstlich? Warum sollte er denn Angst haben?«
    »Weiß ich auch nicht. Aber als ich den Namen Wilt erwähnte, kam es mir ganz so vor«, sagte Mavis. »Wir werden jetzt sofort rausfahren und der Sache auf den Grund gehen.« Captain Clodiak saß in Colonel Urwins Büro. Im Gegensatz zu den anderen Gebäuden von Baconheath, die noch von der Royal Airforce stammten oder nach billiger Fertighaussiedlung aussahen, bildete die Abwehrzentrale einen recht sonderbaren Kontrast zu der militärischen Natur des Stützpunkts. Sie war in einem großzügigen, hochherrschaftlichen Ziegelbau untergebracht, den ein pensionierter Bergbauingenieur mit einer Vorliebe für theatralisches Tudor, einem Blick für den Wert der schwarzen Fenlanderde und einer Abneigung gegen die eisigen Winde, die von Sibirien herüberbliesen, um die Jahrhundertwende errichtet hatte. So kam es, daß das Haus eine stilisierte Prunkhalle, eichengetäfelte Wände und eine höchst leistungsfähige Zentralheizung hatte und Colonel Urwins Sinn für Ironie vollkommen entsprach. Es hob ihn vom übrigen Stützpunkt ab und verlieh seiner Überzeugung, daß Militärs gefährliche Idioten waren, unfähig, auch nur halbwegs gebildetes Englisch zu sprechen, zusätzliches Gewicht. Was nötig war, war Intelligenz – Hirn ebenso wie Muskeln. Captain Clodiak schien mit beidem gesegnet. Colonel Urwin lauschte ihrem Bericht über Wilts Festnahme mit hellwachem Interesse. Er zwang ihn zu einer Neueinschätzung der Situation. »Sie behaupten also, daß er sich während des ganzen Kurses unwohl zu fühlen schien«, sagte er.
    »Ohne Zweifel«, erwiderte Clodiak. »Er drückte sich die ganze Zeit hinter dem Stehpult herum, als hätte er Schmerzen. Und seine Vorlesung war völlig konfus. Ohne Zusammenhang. Sonst macht er zwar auch Exkurse, kehrt aber immer wieder zum Thema zurück. Aber diesmal kam er überhaupt nicht zur Sache, und als dann diese Bandage unter seinem Hosenbein hervorlugte, geriet er völlig aus der Fassung.« Der Colonel sah hinüber zu Captain Fortune. »Wissen wir denn inzwischen, wozu er diese Bandage gebraucht hat?«
    »Ich habe mich bei den Ärzten erkundigt, aber sie wissen es auch nicht. Der Kerl wurde mit Gasvergiftung eingeliefert, aber von anderen Verletzungen keine Spur.«
    »Dann lassen Sie uns mal auf sein sonstiges Verhalten zurückkommen. Irgendwas Ungewöhnliches?« Captain Clodiak schüttelte den Kopf.
    »Nichts, was mir aufgefallen wäre. Er ist hetero, hat gute Manieren, macht keine Avancen, hat wahrscheinlich ein paar Macken, etwa daß er depressiv ist. Nichts, was ich bei einem Engländer als ungewöhnlich einstufen würde.«
    »Und trotzdem hat er sich deutlich unwohl gefühlt? Und über die Bandage besteht kein Zweifel?«
    »Keiner«, erwiderte Clodiak.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte der Colonel. »Sollte Ihnen noch irgendwas einfallen, dann lassen Sie es uns bitte wissen.« Und nachdem er sie auf den Gang hinausbegleitet hatte, betrachtete er abermals das Poster, in der Hoffnung, dort Erleuchtung zu finden. »Allmählich hört es sich an, als wäre ihm jemand auf den Leim gegangen«, sagte er schließlich. »Glaushof, darauf können Sie Ihr Leben wetten«, meinte Fortune. »Ein Kerl, der so schnell ein Geständnis ablegt, muß entsprechend geimpft sein.«
    »Was hat er denn gestanden? Nichts. Absolut nichts.«
    »Er hat zugegeben, von diesem Orlov angeworben worden zu sein, und ein gewisser Karl Radek sei sein Kontaktmann. Ich würde nicht behaupten, daß das nichts ist.«
    »Der eine ist ein Dissident, den sie nach Sibirien verbannt haben«, sagte Urwin, »und Karl Radek war ein tschechischer Schriftsteller, der 1940 in einem GULag gestorben ist. Nicht so ohne weiteres möglich, mit ihm Kontakt aufzunehmen.«
    »Könnten ja auch Decknamen sein.«
    »Könnten. Ausgerechnet die. Da hätte ich mir schon etwas weniger offensichtlich Erfundenes einfallen lassen. Und warum Russen? Wenn sie von der Botschaft ... Ja, ich denke schon. Nur daß er diesen Orlov – in Anführungszeichen – an einer Busstation in Ipford getroffen haben will, die außerhalb des für die Angehörigen der sowjetischen Botschaft erlaubten Bereichs liegt. Und wo

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