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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Zweifel, daß Henry sie betrogen hatte, und als sie durch den Maschenzaun auf die tristen Häuser und die aus Fertigteilen lieblos zusammengeschusterten Gebäude schaute, geschah dies mit dem Gefühl, einen Blick auf die Trostlosigkeit und Tristesse ihres zukünftigen Lebens zu werfen. Henry war mit einer anderen Frau davongelaufen, vielleicht sogar mit diesem Captain Clodiak, und sie würde zurückbleiben und die Vierlinge ganz allein in bitterer Armut aufziehen und ihr Leben als ... alleinerziehende Mutter fristen. Aber wo sollte sie das Geld hernehmen, um die Mädchen auf der Schule zu lassen? Sie würde von der Wohlfahrt leben und mit all diesen anderen Frauen Schlange stehen müssen ... Nein, soweit würde es nicht kommen. Sie würde arbeiten gehen. Sie würde alles tun, um ...
    Die Bilder, die vor ihrem geistigen Auge vorüberzogen, Bilder der Leere und ihres entschlossenen Durchhaltevermögens, wurden durch die Rückkehr des Lieutenants unterbrochen. Sein Benehmen war völlig verändert. »Tut mir leid«, sagte er kurz angebunden, »aber es handelt sich um einen Irrtum. Lassen Sie sich das gesagt sein. Und jetzt verschwinden Sie bitte. Wir sind mitten in dieser Sicherheitsübung.«
    »Irrtum? Was für ein Irrtum?« sagte Mavis, die auf seine brüske Art mit ihrem ganzen aufgestauten Haß reagierte. »Sie sagten, Mrs. Wilts Mann ...«
    »Ich habe gar nichts gesagt«, entgegnete der Lieutenant, machte auf dem Absatz kehrt und gab Anweisung, den Schlagbaum zu öffnen, um einen Lastwagen passieren zu lassen. »Also so was!« fauchte Mavis wütend. »Eine Unverschämtheit! So unverfroren hat mir noch niemand ins Gesicht gelogen. Du hast selbst gehört, was er vor wenigen Minuten gesagt hat, und jetzt ...«
    Aber Eva hatte sich bereits voller Entschlußkraft in Bewegung gesetzt. Henry befand sich auf dem Stützpunkt. Jetzt war sie ganz sicher. Sie hatte den Gesichtsausdruck des Lieutenants gesehen, dann den veränderten Gesichtsausdruck, die forcierte Gleichgültigkeit, die in krassem Widerspruch zu seiner vorherigen Verbindlichkeit stand, und da wußte sie Bescheid. Ohne nachzudenken, schritt sie der Trostlosigkeit eines Lebens ohne Henry entgegen, hinein in jene Wüste hinter dem Schlagbaum. Sie war entschlossen, ihn zu finden und die Angelegenheit mit ihm auszufechten. Eine Gestalt vertrat ihr den Weg und versuchte sie aufzuhalten. Es gab ein kurzes Handgemenge, dann ging die Gestalt zu Boden. Drei weitere Männer tauchten auf – auch sie nur gesichtslose Gestalten –, packten sie und schleppten sie zurück. Von weither, wie ihr schien, hörte sie Mavis schreien: »Laß dich hängen. Laß dich hängen.« Eva ließ sich hängen und lag im nächsten Augenblick auf dem Boden.
    Drei Minuten später schleiften sie sie staubbedeckt, mit über den Asphalt scharrenden Absätzen und zerrissenen Strümpfen, unter dem Schlagbaum hindurch und ließen sie auf die Straße plumpsen. Während der ganzen Zeit war der einzige Laut, den sie von sich gab, ihr vor Anstrengung heftig gehender Atem. Sie saß einen Moment lang da, kniete sich dann hin und warf einen Blick auf den Stützpunkt zurück, dessen Intensität weitaus gefährlichere Konsequenzen verhieß als ihr kurzer Kampf mit den Wachen.
    »Gute Frau, Sie haben kein Recht, hier einzudringen. Sie bringen sich damit nur in Schwierigkeiten«, sagte der Lieutenant.
    Eva schwieg. Mühsam rappelte sie sich auf und ging zum Wagen zurück.
    »Eva, Liebes, ist alles in Ordnung?« fragte Mavis. Eva nickte. »Fahr mich bloß nach Hause«, sagte sie. Dieses eine Mal wußte Mavis nichts zu entgegnen. Evas kraftvolle Entschlossenheit bedurfte keiner Worte. Wilts schon. Nachdem die Zeit allmählich knapp wurde, hatte sich Glaushof auf eine neue Art der Befragung verlegt. Da ihm keine handfesteren Methoden mehr zur Verfügung standen, hatte er sich für ein seiner Meinung nach subtiles Vorgehen entschlossen. Da es die Mithilfe von Mrs. Glaushof in jener Verkleidung erforderte, die Glaushof (und möglicherweise auch Lieutenant Harah) so verführerisch fand – Reitstiefel, Strumpfhalter und brustwarzenfreie BHs rangierten ganz oben auf Glaushofs Skala erotischer Appetitanreger –, fand sich Wilt, den man erneut in einen Wagen geschafft und in Glaushofs Haus verfrachtet hatte, plötzlich in sein Kliniknachthemd eingewickelt auf einem herzförmigen Bett, Auge in Auge mit einer Erscheinung in Schwarz, Rot und diversen Nuancen Rosa. Die Stiefel waren schwarz, Strumpfhalter und Höschen rot

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