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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Sitzung des Krisenstabs vollauf zufrieden. Sollte Mr. Scudd wirklich soviel Einfluß beim Erziehungsminister haben, wie er behauptete, dann konnte das eine gründliche Untersuchung durch die Schulinspektoren Ihrer Majestät bedeuten. Wilt war diese Aussicht sehr willkommen. Er hatte schon oft über die Vorteile einer solchen Konfrontation nachgedacht. Zum einen würde ihn das in die Lage versetzen, vom Minister eine deutliche Aussage dazu zu fordern, was er denn eigentlich unter Allgemeinbildung verstand, jedenfalls wohl kaum Kommunikative Techniken und Progrediente Ausdrucksstrategien. Schon seit jenem denkwürdigen Tag vor rund zwanzig Jahren, als er ins Lehrerkollegium der Berufsschule eintrat, hatte Wilt keine genaue inhaltliche Vorstellung mit dem Begriff Allgemeinbildung zu verbinden vermocht, und niemand hatte ihm bisher so recht auf die Sprünge helfen können. Angefangen hatte er mit dem recht sonderbaren, von Mr. Morris, dem damaligen Leiter der Abteilung stammenden Diktum, daß seine Aufgabe darin bestünde, »Eintagslehrlinge«, also solche, die einen Tag in der Woche vom Arbeitgeber für die Schule freibekamen, »der Kultur auszuliefern«, was bedeutet hatte, die armen Teufel Herr der Fliegen und Candide lesen zu lassen, anschließend darüber zu diskutieren, worum es ihrer Ansicht nach in diesen Büchern ging, und deren Meinung die eigene entgegenzusetzen. Soweit Wilt feststellen konnte, war die ganze Unternehmung völlig unergiebig, und falls, wie Morris es ausgedrückt hatte, überhaupt die Rede davon sein konnte, daß jemand einer Sache ausgeliefert war, dann die Lehrer der kollektiven Barbarei der Lehrlinge, die für jede Menge Nervenzusammenbrüche und die große Anzahl jener verantwortlich war, die als Milchmänner mit Hochschulabschluß endeten. Sein eigener Versuch, den Lehrplan in praktischere Bahnen zu lenken – etwa wie man Steuerformulare ausfüllt, Arbeitslosenunterstützung beantragt und sich mit etwas Selbstvertrauen durch den bürokratischen Dschungel bewegt, der den Wohlfahrtsstaat für die Mittelklasse und halbgebildete Emporkömmlinge in ein Sparschwein und für die, welche die göttliche Vorsehung arm gemacht hatte, in einen unverständlichen und demütigenden Alptraum aus Formularen und Fachjargons verwandelt hatte – war dank der hirnrissigen Theorien der sogenannten Erziehungswissenschaftler der sechziger Jahre wie Dr. Mayfield und der gleichermaßen irrationalen Finanzpolitik der siebziger Jahre gescheitert. Wilt hatte bei seinen Protesten nachdrücklich darauf bestanden, daß die Allgemeinbildung keine Videokameras und Arsenale audiovisueller Geräte brauchte, sondern statt dessen sehr viel mehr mit einer klaren Aussage über Sinn und Zweck dieses Faches anfangen könnte.
    Das war nun wiederum ein unkluges Ansinnen gewesen. Sowohl Dr. Mayfield als auch der Bezirksinspektor hatten Memoranden vorgelegt, die niemand verstehen konnte, und es hatte ein Dutzend Ausschußsitzungen gegeben, auf denen keinerlei Beschlüsse gefaßt wurden, außer dem, daß man die Videokameras, nachdem sie nun schon mal da waren, ebensogut benützen konnte, und daß »Kommunikative Techniken« und »Progrediente Ausdrucksstrategien« dem Zeitgeist besser entsprächen als »Allgemeinbildung«. Der audiovisuelle Krempel fiel damals den Sparmaßnahmen zum Opfer, und die Tatsache, daß überflüssige Lehrkräfte aus akademischen Fachbereichen nicht einfach auf die Straße gesetzt werden konnten, hatte dazu geführt, daß Wilt noch mehr Knallköpfe zugeteilt bekam. Sollten Ihrer Majestät Schulinspektoren sich tatsächlich dazu herablassen, die Lehranstalt mit ihrem Besuch zu beehren, würde es ihnen womöglich gelingen, die durch nutzlose Bremser verursachte Blockierung zu beseitigen und wieder vernünftige Zustände herzustellen, was Wilt ausgesprochen begrüßt hätte. Abgesehen davon bildete er sich ziemlich viel darauf ein, bei Auseinandersetzungen seine Position behaupten zu können.
    Sein Optimismus war allerdings verfrüht. Nachdem er sich geschlagene fünfzig Minuten von Elektrotechniker I über die Bedeutung des Kabelfernsehens hatte belehren lassen, war er kaum in sein Büro zurückgekehrt, als auch schon die Tür aufsprang und seine Sekretärin, Mrs. Bristol, völlig aufgelöst hereinstürzte. »Mr. Wilt«, rief sie beschwörend, »Sie müssen sofort kommen. Sie ist wieder da, und es ist nicht das erste Mal.«
    »Was ist nicht das erste Mal?« fragte Wilt hinter einem Stapel Zeitschriften hervor,

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