Henry dreht Auf
Vielleicht hinauf?«
»Aber die Toilette ist doch im vierten Stock, nicht im zweiten. Und dort war’s auch.«
»Das sagen Sie jetzt! Und wohin zum Teufel bin ich Ihrer Meinung nach gegangen?«
»Also ich gehe immer nach oben«, sagte Mrs. Bristol. »Das hält mich fit, wie Sie wissen. Ich meine, schließlich braucht unsereins ja ein bißchen Bewegung und ...«
»Halten Sie doch endlich die Klappe«, sagte Wilt und wischte sich die Nase mit seinem blutverschmierten Taschentuch ab. »Also, damit die Sache klar ist«, sagte der Direktor, dem es an der Zeit schien, seine Autorität geltend zu machen. »Mrs. Bristol sagt Wilt, daß da oben ein Mädchen ist, das sich irgendwas reinpumpt, und anstatt hinaufzugehen, begibt Wilt sich hinunter in die Toilette im zweiten Stock und ...«
»... wird dort von dem Schwarzgürtel, Miss Harenstein, zu Brei geschlagen«, fuhr Wilt fort, der das Ruder nun endgültig an sich riß. »Und dabei ist noch keiner auf die schlaue Idee gekommen, nach oben zu gehen und nachzusehen, ob dieser Junkie noch da ist.«
Aber der Stellvertretende war bereits verschwunden. »Wenn mich dieser kleine Kotzbrocken noch einmal Harenstein nennt ...«, fauchte Miss Hare drohend. »Ich finde jedenfalls nach wie vor, daß wir die Polizei rufen sollten. Ich meine, warum ist Wilt denn hinuntergegangen und nicht hinauf? Ich finde das sehr sonderbar.«
»Weil ich nicht auf die Damen-, oder in Ihrem Fall die Bisexuellen-Toilette gehe. Darum.«
»Da haben wir’s«, sagte der Direktor. »Anscheinend war das Ganze doch nur ein Mißverständnis, und wenn wir jetzt alle die Ruhe bewahren ...«
Der Stellvertretende kam zurück. »Keine Spur von einem Mädchen«, verkündete er.
Der Direktor erhob sich. »Damit wäre die Sache ja wohl erledigt. Offenbar war alles nur ein Irrtum. Mrs. Bristol hat sich vielleicht nur eingebildet ...« Doch welche verleumderischen Vermutungen hinsichtlich Mrs. Bristols Einbildung ihm auch auf der Zunge liegen mochten, sie wurden durch die folgenden Worte des Stellvertretenden im Keim erstickt. »Aber im Abfalleimer habe ich das da gefunden«, sagte er und hielt ein blutbeflecktes Papierhandtuch hoch, das aussah wie Wilts Taschentuch.
Der Direktor betrachtete es angewidert. »Das beweist wohl kaum etwas. Frauen bluten eben gelegentlich.«
»Dann nennen Sie’s halt einen Monatsfetzen und vergessen das Ganze«, sagte Wilt giftig. Es nervte ihn schon zur Genüge, daß er selbst blutete.
Miss Hare fuhr herum. »Das ist wieder typisch für einen zotenreißenden Sexisten wie Sie«, herrschte sie ihn an. »Ich habe nur interpretiert, was der Direktor ...«
»Und außerdem wäre da noch das da«, unterbrach ihn der Stellvertretende und förderte eine Injektionsnadel zutage. Jetzt warf sich Mrs. Bristol in die Brust. »Na also, was habe ich Ihnen gesagt. Gar nichts habe ich mir eingebildet. Da oben war ein Mädchen und hat sich etwas gespritzt, und ich habe sie gesehen. Und was werden Sie jetzt unternehmen?«
»Wir dürfen keine voreiligen Schlüsse ziehen, nur weil ...«, begann der Direktor.
»Rufen Sie die Polizei. Ich verlange, daß Sie die Polizei rufen«, sagte Miss Hare, wild entschlossen, die Gelegenheit beim Schöpf zu ergreifen, um ihre Meinung über Wilt und dreckige Voyeure in alle Welt hinauszuposaunen. »Miss Harenstein«, sagte der Direktor, der nicht umhin konnte, Wilts Gefühle für die Sportlehrerin zu teilen, »diese Angelegenheit erfordert einen kühlen Kopf.«
»Mein Name ist Miss Hare, und wenn Sie nicht genug Anstand besitzen ... Und wo, zum Kuckuck, gehen Sie hin?« Wilt hatte die günstige Gelegenheit genutzt, um sich zur Tür zu schleichen. »Auf die Herrentoilette, um festzustellen, wieviel Schaden Sie angerichtet haben, dann zur Blutbank zum Auftanken und danach, falls ich das noch schaffe, zu meinem Arzt und dem prozeßgierigsten Anwalt, den ich auftreiben kann, um Sie wegen übler Nachrede und Körperverletzung vor den Kadi zu bringen.« Und bevor Miss Hare ihn erwischen konnte, war Wilt über den Korridor geflüchtet und hatte sich in der Herrentoilette verschanzt.
Nun ließ Miss Hare ihre Wut am Direktor aus. »So, das genügt«, schrie sie. »Wenn Sie jetzt nicht auf der Stelle die Polizei rufen, dann tue ich es. Ich wünsche, daß die Tatsachen klar und deutlich festgehalten werden, damit für den Fall, daß sich dieser kleine Sexteufel auch nur in die Nähe eines Anwalts wagt, die Öffentlichkeit erfährt, was für eine Sorte von Leuten hier
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