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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Rolle der Frau in der britischen Gesellschaft zu erläutern, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Stellung im Berufsleben, wie wir sie bei der Sehr Ehrenwerten Premierministerin Mrs. Thatcher und ...« Henry sah sie verständnislos an und fragte sich, warum Mrs. Ofrey ihre Fragen immer von einem Kärtchen ablas und warum diese selten etwas mit dem zu tun hatten, worüber er gerade gesprochen hatte. Sie mußte den Rest der Woche damit zubringen, sie sich auszudenken. Und immer bezogen sich diese Fragen auf die Queen und Mrs. Thatcher, wahrscheinlich, weil Mrs. Ofrey einmal mit dem Herzog und der Herzogin von Bedford in Woburn Abbey diniert und deren Gastfreundschaft tiefe Spuren in ihr hinterlassen hatte. Doch zumindest an diesem Abend schenkte Henry ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Von dem Augenblick an, da er den Hörsaal betreten hatte, kämpfte er mit Schwierigkeiten. Die Bandage um seine Lenden mußte sich während der Fahrt gelockert haben, und noch bevor er etwas dagegen unternehmen konnte, hatte sich ein Ende der elastischen Binde den Weg durch sein rechtes Hosenbein nach unten gebahnt. Um die Sache noch kritischer zu machen, war Captain Clodiak zu spät gekommen, hatte mit übergeschlagenen Beinen unmittelbar vor ihm Platz genommen und Wilt damit prompt gezwungen, sich gegen das Stehpult zu pressen, um eine zusätzliche Erektion zu unterdrücken, beziehungsweise die vorhandene zumindest vor seiner Zuhörerschaft zu verbergen. Indem er sich auf Mrs. Ofrey konzentrierte, war es ihm bisher gelungen, einen zweiten Blick auf Captain Clodiak zu vermeiden.
    Doch auch die einseitige Konzentration auf Mrs. Ofrey hatte ebenfalls Nachteile. Trotz ihrer Vorliebe für absonderlich gemusterte Strickmodelle, die wahrscheinlich eine ganze Reihe schottischer Heimarbeiterinnen an der Westküste in Brot setzte, und ihrer recht bescheidenen Reize, die von der Wolle noch soweit gebremst wurden, daß sie eine Art Gegengift zu dem beängstigenden Schick von Captain Clodiak darstellte – Henry hatte bereits ihre Bluse und das, was er für ein Nahkampfhemd aus Shantung-Seide hielt, zur Kenntnis genommen –, war Mrs. Ofrey doch eine Frau. Jedenfalls legte sie offenbar Wert auf eine gewisse gesellschaftliche Exklusivität und saß ganz allein links von der übrigen Klasse, so daß Wilt, der sich die halbe Vorlesung lang ihr zugewandt hatte, schließlich einen steifen Hals bekam. Darauf hatte Wilt seine Aufmerksamkeit einem aknegesichtigen Verkäufer aus dem PX-Laden zugewandt, der ansonsten noch Karate- und Aerobic-Kurse belegt hatte und dessen Interesse an der britischen Kultur sich auf die Lüftung der Geheimnisse des Krickets beschränkte. Das hatte auch nicht sonderlich gut funktioniert; nach zehn Minuten nahezu ununterbrochenen Blickkontakts und Wilts abschätzigen Bemerkungen über die Auswirkungen des Frauenwahlrechts auf die Stimmverteilung in den Wahlen seit 1928 hatte der junge Mann begonnen, unbehaglich auf seinem Stuhl herumzurutschen, so daß Wilt plötzlich klar wurde, daß der Kerl glaubte, er wolle was von ihm. Und da er keine Lust hatte, sich von einem Karatejünger zu Brei schlagen zu lassen, hatte er versucht, seinen Blick abwechselnd auf Mrs. Ofrey und die rückwärtige Wand des Hörsaals zu heften, aber jedesmal schien es, als lächle Captain Clodiak ihm dabei nur noch bedeutungsvoller zu. In der Hoffnung, daß es ihm gelingen möge, die Stunde zu überstehen, ohne in der Hose zu ejakulieren, hatte sich Henry ans Stehpult geklammert. Diese Sorge beschäftigte ihn so sehr, daß er kaum bemerkte, daß Mrs. Ofrey am Ende ihrer Frage angelangt war. »Würden Sie mir denn da recht geben?« sagte sie in einer Weise, als gäbe sie ihm ein Stichwort.
    »Also ... hm ... durchaus«, sagte Henry, der gar nicht aufgepaßt hatte, wie die Frage lautete. Hatte irgendwas damit zu tun, daß die Monarchie ein Matriarchat sei. »Ja, ich glaube grundsätzlich gehe ich da mit Ihnen konform«, sagte er und drückte sich noch fester ans Stehpult. »Andererseits dürfen wir, nur weil ein Land eine weibliche Regierungschefin hat, nicht automatisch annehmen, daß es nicht von Männern dominiert wird. Schließlich hatten wir im vorrömischen Britannien Königin Boadicea, und ich glaube wohl kaum, daß die Women’s Lib damals eine große Rolle spielte, meinen Sie nicht auch?«
    »Ich habe Sie nicht nach der feministischen Bewegung gefragt«, entgegnete Mrs. Ofrey mit einem giftigen Unterton, der verriet, daß sie eine typische

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