Henry haut ab: Roman (German Edition)
ihnen mit Schulverweis droht. Die haben Glück, dass sie nicht längst geflogen sind. Du hättest sie gleich in eine Besserungsanstalt schicken sollen – das hätte Zeit gespart und wäre sehr viel billiger gewesen.«
»Sie werden doch gar nicht rausgeschmissen. Mrs. Collinson sagt nur, dass sich ihr Verhalten bessern muss, sonst könnte es sein, dass sie gebeten werden zu gehen.«
»Wo es Leben gibt, gibt es auch Hoffnung«, stellte Wilt fest. »Aber darauf ist nun wirklich nicht zu hoffen. Na ja, immerhin werde ich in Zukunft ihre grässlichen Aktivitäten nicht mehr mit Nachhilfe-Jobs in den Sommerferien subventionieren müssen.«
Und bevor Eva Worte finden konnte, um ihrer Verärgerung Ausdruck zu verleihen, hatte er sich ins Wohnzimmer zurückgezogen und sah sich die Nachrichten an.
Die untergründigen Spannungen, die zu Wilts Ehe gehörten und gelegentlich in offenen Krieg ausarteten, brachen sich später in einer veritablen Eruption Bahn, als Wilt vom Friseur zurückkam.
»Das nennst du einen Haarschnitt?«, fuhr Eva ihn an. »Das ist noch viel zu lang.«
»Na ja, ich hab gesagt, sie sollen nur nachschneiden. Wolltest du etwa, dass ich mich kahl scheren lasse und zurückkomme wie ein Skinhead?«
»Natürlich nicht. Aber hör mir gut zu, du wirst dir die Haare ordentlich schneiden lassen. Geh sofort zurück und sorg dafür, dass der Mann seinen Job anständig macht. Es muss an den Seiten und im Nacken kurz sein. Und noch etwas … dein Sportsakko hat Löcher an den Ellbogen, also möchte ich, dass du den hübschen Anzug anziehst, den ich dir extra gekauft habe.«
»Wenn du wirklich glaubst, dass ein hellgrauer Anzug mit rosa Nadelstreifen Sir Bluthund und Lady Labertasche beeindruckt …«
»Sir George und Lady Clarissa Gadsley, Herrgott noch mal …«
»Sir George, was? Wahrscheinlich lässt der sich seine Anzüge in der Savile Row schneidern.«
»Was ist denn an dieser Civil Row so besonders, oder wie immer die heißt?«
»Savile Row, Eva. Savile Row. Da gibt es so ziemlich die teuersten Anzüge von ganz London zu kaufen. Lady Labertasche und Sir Gadsley würden mich nicht in ihr Haus lassen, wenn ich da in einem Anzug mit leuchtenden pinkfarbenen Streifen auftauche. Pinkfarbene Nadelstreifen, ich bitte dich!«
»Hast du getrunken, Henry?«, fragte Eva misstrauisch. »Ich dachte mir schon, dass dieser Haarschnitt ziemlich lange gedauert hat. Komm her und hauch mich an.«
»Dich anhauchen? Grundgütiger, Frau, gibst du denn niemals Ruhe? Erst verpasst du mir so einen dämlichen Scheißjob, einem Oberklasse-Kretin Dinge beizubringen, die er längst hätte gelernt haben müssen, und dann bestimmst du auch noch, wie lang meine Scheißhaare zu sein haben! Also, mir reicht’s. Ich trage mein Haar, wie ich will, verstanden?«
Damit verließ Wilt das Haus und fuhr mit dem Rad zurück zum Barbier, um ihm Evas Anweisungen zu überbringen.
»Sie sagt, Sie haben es zu lang gelassen, und es muss im Nacken und an den Seiten noch kürzer sein.«
»Ihre bessere Hälfte?«, fragte der Barbier mitfühlend.
Wilt nickte.
»Ich bin erstaunt, dass sie nicht gleich einen Bürstenschnitt verlangt hat«, fuhr der Barbier fort.
Wilt schauderte.
»Sie hat gesagt, ich soll nicht aussehen wie ein Fußballer. Und das alles nur, weil ich Lady Sowieso treffen soll. Man könnte meinen, ich hätte eine Audienz bei der Queen.«
»Na ja, man wird Sie ganz sicher nicht mit Bob Geldof verwechseln.«
»Das ist eine Gnade«, bemerkte Wilt.
Der Barbier grinste.
»Ich glaube nicht, dass ich noch im Geschäft wäre, wenn ich nur Kunden wie den hätte.«
Mit einem elektrischen Rasierer dünnte er das Haar an den Seiten aus.
»Das müsste wohl reichen, oder will sie noch mehr?«
»Oh, sie will sicher noch mehr weghaben, aber ich ganz bestimmt nicht«, sagte Wilt, während er von dem Stuhl aufstand. Der Barbier schüttelte die losen Haare von dem Umhang und nahm ihn ihm ab. Wilt musterte kritisch seinen Kopf.
In diesem Augenblick kam Eva herein. Wilt setzte sich wieder auf den Friseurstuhl, und der Barbier legte ihm den Umhang wieder um, bevor er anfing, seinen Hinterkopf zu bearbeiten, und dabei sorgfältig darauf achtete, weder seinem Kunden noch dessen Drachen von Ehefrau in die Augen zu sehen.
Erst als Wilt große Ähnlichkeit mit einem Schaf nach der Frühjahrsschur hatte, lenkte seine Frau ein und erklärte, dass sie nun zufrieden sei. Wilt schob mürrisch sein Fahrrad nach Hause, eine hocherfreute Eva im Schlepptau,
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