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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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geändert hatte, bestand es auch am wenigsten auf Konventionen. Alles war möglich, wenn man es mit Porterhouse zu tun hatte.
    »Daher wäre ich dankbar, wenn Sie so früh wie möglich anfangen würden«, sagte Lady Clarissa gerade. »Sie könnten im Haus wohnen, wenn Sie das Cottage lieber nicht gleich beziehen möchten. Schauen, wie Sie sich mit meinem Mann verstehen …«
    »Ich bin sicher, dass ich das einrichten kann«, versicherte Wilt mit einem raschen Blick auf Eva. »Du nicht auch, Liebes?«
    »Natürlich. Schließlich sind es ja nur ein paar Tage, bis wir nachkommen«, stimmte Eva mit gespielter Begeisterung zu. Von Wilt »Liebes« genannt zu werden war eine ungewöhnliche Erfahrung für sie; in den letzten Jahren hatte dergleichen stets Schwierigkeiten angekündigt. Und seine zugängliche Haltung verblüffte sie ebenfalls. Normalerweise war er der Letzte, der tat, was jemand anderes wollte. Noch mehr allerdings erschreckte sie die Art und Weise, wie Lady Clarissa, die inzwischen zwei Drittel der Weinflasche intus hatte, ihn unverhohlen angaffte. Es dämmerte ihr, dass Wilt bei Ihrer Ladyschaft weitaus mehr Aufmerksamkeit erregte, als Eva wünschenswert fand. Sie würde die Lage genau überwachen müssen. Fünfzehnhundert Pfund die Woche plus Kost und Logis waren gewiss sehr viel für Nachhilfeunterricht. »Techtelmechtel« war das Wort, das sich ihr als nächstes aufdrängte und das sie verwendete, als sie nach dem Lunch mit dem Fahrrad nach Hause fuhren.
    »Wenn du glaubst, du könntest mit dieser Frau irgendein Techtelmechtel anfangen, dann hast du dich geschnitten«, brüllte sie Wilt zu, als sie an ein Stoppschild kamen.
    Er grinste sie an.
    »Du hast doch diesen Job eingefädelt«, schrie er zurück, als sie wieder losfuhren. »Außerdem verstehe ich nicht, warum du jetzt damit kommst. Ich habe nur versucht, deinen Plänen zu entsprechen. Und Lady Clarissa war sowieso voll wie eine Strandhaubitze.«
    »Kann man wohl sagen, aber du hättest sie trotzdem nicht so anzuschmachten brauchen.«
    »Ich dachte, du wolltest das so, Liebes«, sagte Wilt, betonte das Wort jedoch vollkommen anders als im Restaurant. Wenigstens hatte er ihre Ermahnungen, anständig auszusehen und sich nicht zu betrinken, befolgt.
    Schweigend fuhren sie zur Oakhurst Avenue, doch als sie zu Hause waren, beklagte Eva sich von neuem.
    »Sie hat dich die ganze Zeit Henry genannt, und ich war nur Mrs. Wilt. Ich fand das ziemlich unnötig. Sie hätte mich ruhig Eva nennen können.«
    »Sie hat dich mehrer Male ›liebe Mrs. Wilt‹ genannt. Und schließlich stellt sie mich an und nicht dich, und in ihren Kreisen ist es wahrscheinlich üblich, die Dienerschaft mit Vornamen anzusprechen. Ich verstehe nicht, warum du so viel Lärm um nichts machst.«
    »Es wird auch bei nichts bleiben, wenn ich da irgendetwas zu sagen habe«, warnte Eva, bevor ihr ein weiterer verdächtiger Umstand einfiel. »Und als sie gesagt hat, sie könnte dich im Auto mitnehmen, bist du sofort darauf angesprungen. Das hat mir auch nicht besonders gefallen.«
    »Das habe ich nur getan, weil du das Auto brauchst, um die Vierlinge abzuholen. Außerdem bin ich nicht ›angesprungen‹, und ich will verdammt sein, wenn ich dieses verdammte Weib angeschmachtet habe. Ich habe einfach nur getan, was du gesagt hast: Ich war sehr höflich zu ihr. Aufgetakelt und mit kurzen Seiten und kurzem Nacken … Was hast du denn erwartet? Dass ich sie beleidige?«
    Eva musste zugeben, dass er Recht hatte. Trotzdem hatte es ihr nicht behagt, wie Lady Clarissa Henry mit so unverbrämtem Interesse angegafft hatte. Ja, sie hatte mit Sicherheit schon getrunken, bevor sie angekommen waren, aber wie sollte Eva sicher sein, dass sie nicht so trinken würde, wenn Henry mit ihr unter einem Dach lebte? Es war sogar beinahe gewiss, dass sie das tun würde.
    Eva ging nach oben, um das Bett zu machen – Henry, der immer noch im Gästezimmer schlief, konnte seines selbst machen –, und fragte sich, was sie angesichts dieser möglichen Bedrohung tun sollte. Die Vier waren ihr wichtiger als alles andere im Leben; sie durfte nichts tun, was verhindern würde, dass sie die Ausbildung bekamen, die sie verdienten. Und außerdem war Henry ja so leidenschaftslos, dass Lady Clarissa ihm Augen machen konnte, so viel sie wollte. War es wirklich wahrscheinlich, dass er darauf reagierte? Wie dem auch sei, Eva musste unbedingt selbst nach Sandystones Hall fahren, sobald die Mädchen Ferien hatten. Wenn sie sich erst

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