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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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»Wenn es wegen meines Stiefsohnes ist …«, setzte er an, doch Wilt schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich dachte, Sie sollten wissen, dass im Wald eine Art Wohnwagen steht. Anscheinend ist er teilweise mit Zweigen und Büschen getarnt.«
    »Ein Wohnwagen?«, fragte Sir George und lief dabei ziemlich rot an. »Ich weiß nichts von irgendwelchen Wohnwagen. Wo soll der denn sein?«
    »Im Wald, gegenüber vom Küchengarten und dem Cottage.«
    »Verflixt, ich kann nichts sehen …«, knurrte Sir George, während er mit einem Fernglas aus dem Fenster spähte.
    »Er steht ziemlich tief im Wald«, erklärte Wilt und zeigte dabei in die richtige Richtung. »Und wie gesagt, er sieht aus, als sei er getarnt.«
    »Nun, dann werde ich hinuntergehen und dafür sorgen, dass diese Eindringlinge das Grundstück sofort verlassen. Sie bleiben hier und sorgen dafür, dass die Putzfrauen nicht hereinkommen. Ich habe Mrs. Bale schon so oft gesagt, sie soll sie nicht hier hereinlassen, aber sie ist ja genauso schlimm wie die. Ständig räumen sie meine Sachen auf, so dass ich hinterher nichts mehr finde. Nicht dass es mir nicht gefallen würde, sie so auf Händen und Knien zu sehen, während sie … Sie wissen schon …« Er unterbrach sich und sah Wilt fragend an, der jedoch den Kopf schüttelte. Er wusste nicht, worauf Sir George hinauswollte.
    »Während sie … saubermachen?«
    Sir George seufzte angesichts seiner Reaktion und trat an einen Stahlschrank, der neben seinem Schreibtisch stand. Er schloss ihn auf und holte eine zwölfkalibrige Flinte heraus. »Ist immer das Beste, auf der sicheren Seite zu sein, wenn man’s mit Störenfrieden zu tun hat«, erklärte er und ging hinaus.
    Als er weg war, warf Wilt einen Blick in den Schrank und war entsetzt, als er die vielen Waffen darin sah. Es mussten mindestens dreißig sein, in verschiedenen Formen und Größen, und alle sahen absolut tödlich aus. Er machte sich schwere Vorwürfe, dass er Sir George von den Eindringlingen erzählt hatte.
    Durch das Fenster sah Wilt seinen Gastgeber über den Rasen marschieren. Doch als Sir George außer Sicht war, verließ er das Arbeitszimmer. Wilt fürchtete sich vor Waffen und wollte ganz sicher nicht in einem Zimmer mit einem offenen Stahlschrank voller Gewehre allein gelassen werden. Eigentlich war er sich auch ziemlich sicher, dass es gegen das Gesetz verstieß, einen Waffenschrank offen zu lassen. Er würde in sein Zimmer hinaufgehen, beschloss er, und zum hundertsten Mal die österreichisch-serbischen Beziehungen durchgehen.
    Doch als er gerade die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnen wollte, bemerkte er eine weitere Treppe, die vom Treppenabsatz abging und vor einer geschlossenen Tür endete. Sie öffnete sich auf einen Flur, der genauso aussah wie der, aus dem er eben gerade gekommen war, ebenfalls mit einer weiteren Treppe zum vorderen Teil des Hauses.
    »Jetzt kann ich auch nachsehen, wohin es hier geht«, dachte sich Wilt und fragte sich gleichzeitig, wie um Himmels willen er Sandystones Hall ziemlich klein hatte finden können, als er es zum ersten Mal gesehen hatte. Im Moment fand er sich in einem Türmchen wieder, von dem aus man über die große Rasenfläche, den See und weiter bis hinüber zum ummauerten Küchengarten blickte. Als er aus einem Fenster lugte, um festzustellen, wo genau der Wohnwagen stand, sah er plötzlich einen Jungen über den Rasen gehen. Das musste der Halbwüchsige sein, den er nach Cambridge bringen sollte. Er sah jünger aus, als Wilt erwartet hatte. Als er sich zum Haus umdrehte, erkannte Wilt zu seiner Überraschung, dass Edward, wenn er es denn war, im Vergleich zu dem, was man ihm über ihn erzählt hatte, ziemlich normal aussah. Von hier oben war das schwer zu sagen, doch von weitem sah er nicht schlimmer aus als jeder andere pickelige Teenager.
    Wilt lehnte sich auf die Fensterbank und fragte sich, was es mit Sir Georges »Gott-steh-uns-bei«-Bemerkung über Edward auf sich hatte. Von hier aus sah er weder besonders schlimm aus noch, auch das musste gesagt werden, besonders interessant. Doch wenn Lady Clarissa bereit war, ihm fünfzehnhundert Pfund pro Woche zu zahlen, nur um dem Bengel etwas beizubringen, dann war Wilt bereit, sein Bestes zu geben. Fest entschlossen, zu dem Jungen herunterzurufen und ein Treffen in der Bibliothek zu vereinbaren, trat Wilt aus dem niedrigen Fenster heraus auf das Flachdach. Zum ersten Mal sah er, dass dies hier nur das Fronttürmchen war und dass im weiteren Umkreis hier

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