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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Wilt geschrieben, um sie zu warnen, dass, sollten ihre Töchter ihr Verhalten nicht ändern und eine weniger abstoßende Sprache führen, sie sich gezwungen sähe, sie von der Schule zu entfernen.
    Sie beschloss, einen weiteren Brief aufzusetzen, den sie sofort abschicken und außerdem in Kopie demjenigen Wilt aushändigen würde, der kam, um die missratenen Sprösslinge abzuholen. Ein Brief, in dem sie ankündigte, dass die Schule aufgrund gestiegener Betriebskosten die Internatsgebühren noch einmal deutlich erhöhen müsse.
    Das musste die Eltern doch mit Sicherheit dazu veranlassen, die Vier von der Schule zu nehmen, dachte sie, während sie sich mit einem Lächeln in ihrem Stuhl zurücklehnte.
    Sie war sicher, dass es der Familie Wilt schon jetzt schwerfiel, die Schulgebühren aufzubringen. Sie hatten die Mädchen für jedes Stipendium eingetragen, das die Schule anbot – sogar für das für alleinerziehende Eltern, wobei Mrs. Wilt argumentiert hatte, ihr Mann sei so nutzlos, dass sie so gut wie alleinerziehend war. Natürlich hatte sie kein einziges davon bekommen, auch wenn sie es einmal nur knapp verfehlt hatten, als Penelopes anatomisch genaue Abbildung ihrer drei Schwestern im Kunstunterricht zum Thema Aktzeichnen einen der Schulpräsidenten zutiefst beeindruckt hatte. Glücklicherweise hatte der Mann später sozusagen unehrenhaft zurücktreten müssen, als er verhaftet und wegen unsittlichem Verhalten verurteilt wurde, weil er sich in einem öffentlichen Park entblößt hatte.
    Was für eine grässliche Bande diese Mädchen doch waren! Gott allein wusste, wie der Vater beschaffen sein musste, dass er nicht nur eine solche teuflische Tochter gezeugt hatte, sondern gleich vier.
    Oben in Sandystones Hall wusste Wilt nichts von den Drohungen der Direktorin. Sein Aufenthalt gestaltete sich wesentlich interessanter – wenn auch merkwürdiger –, als er erwartet hatte. Als er am frühen Morgen aufgestanden war, hatte er erfahren, dass Sir George den ganzen Tag bei Gericht sein würde. Lady Clarissa war gezwungen, in ihrem Zimmer zu bleiben, wegen einer, wie Mrs. Bale es ausdrückte, »allgemeinen Unpässlichkeit«, von der er eher vermutete, dass sie alkoholbedingt war. Und wieder einmal war der schwer kontrollierbare Edward nicht auffindbar. Infolgedessen hatte Wilt Gelegenheit, seine Umgebung zu erkunden, glücklich darüber, nicht den Tag damit verbringen zu müssen, sich die Tiraden seines Gastgebers über den Stiefsohn anzuhören, den er nur »den Dummschwätzer« nannte. Oder dass er tatsächlich versuchen müsste, den Dummschwätzer in Geschichte zu unterrichten. Stattdessen hatte Sir George ihm ein altes Fahrrad geliehen und gesagt, Wilt könne von ihm aus auch in den Ort fahren und dort in einem Restaurant zu Abend essen.
    »Ich möchte auch nicht gestört werden, wenn Sie zurückkommen«, hatte er zu Wilts Freude gesagt. Diese wurde allerdings leicht getrübt, als Sir George hinzusetzte, dass Wilt durchaus diesem kleinen Mistkerl Edward begegnen könnte, der irgendwo auf dem Anwesen herumschlich, und dass er sich in diesem Fall vor tieffliegenden Geschossen in Acht nehmen solle.
    So genoss Wilt tatsächlich etwas, das man als Urlaub bezeichnen konnte, und hatte beschlossen, diesen mit einer gründlicheren Erforschung des Hauses zu beginnen. Es entpuppte sich als noch merkwürdiger, als es die Porträts der Vorfahren im Treppenhaus und die riesigen Betten hatten vermuten lassen. Auf der Suche nach interessantem Lesestoff für den Abend – nachdem er der Gründe des Ersten Weltkriegs allmählich müde geworden war – ging er in die Bibliothek. Es war ein großer Raum, der an allen vier Wänden von Bücherregalen gesäumt war. Diese waren mit verstaubten alten Büchern gefüllt, die nicht aussahen, als seien sie in den letzten Jahren aufgeschlagen worden.
    Doch es waren die Möbel, die seine Aufmerksamkeit fesselten. Alles stammte aus Indien und entsprach überhaupt nicht dem zeitgenössischen Mobiliar, das in Birmingham oder in irgendwelchen Blechschlosserbetrieben in den Midlands produziert wurde und das er gelegentlich in Vorstadthäusern und prätentiösen Nobelgeschäften gesehen hatte. Das hier war echtes 19. Jahrhundert: dunkle Teakregale, eine ganze Reihe reich ziselierter, hölzerner Paravents und sogar ausziehbare Stühle aus Rattan oder Bambus, die, wie Mrs. Bale ihm nützlicherweise später erklärte, als »Bombay-Hurenböcke« bezeichnet wurden, weil man sie so weit ausziehen konnte, dass

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