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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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ihn beim Nachnamen nennen würdest, nicht beim Vornamen. Immerhin ist er lediglich ein gebildeter Dienstbote. Ich laufe ja auch hier nicht herum und nenne meine Sekretärin Doris oder wie immer sie mit Vornamen heißt. Für mich ist sie Mrs. Bale. Eigentlich kannst du ihn also auch Mr. Wilt nennen.«
    Clarissa starrte ihn giftig an.
    »Ich nenne ihn, wie ich will«, schnappte sie. »Und ich warte immer noch auf eine Entschuldigung von dir.«
    »Eine Entschuldigung? Wofür um Himmels willen soll ich mich entschuldigen?«
    »Dafür, dass du wegen Onkel Harold so eklig zu mir warst. Ich verstehe immer noch nicht, warum meine Angehörigen nicht auch hier begraben werden können. Ich bin deine Frau, oder etwa nicht?«
    »Traurigerweise ja, meine Liebe, das bist du. Aber wenn du so weitermachst, bist du es nicht mehr lange.«
    Schweigend saßen sie da. Die Stille wurde nur durch Sir Georges geräuschvolles Kauen auf dem übel verbrannten Toast unterbrochen, den er mit dicken Butterscheiben belegt hatte.
    »Deine Manieren sind widerwärtig«, fauchte Clarissa. »Gott sei Dank ist Edwards Lehrer nicht hier, um sich das anzuhören. Wo ist er eigentlich?«
    »In der Küche natürlich. Da isst Mrs. Bale doch auch.«
    »Wenn das so ist, nehme ich das Frühstück in meinem Zimmer ein, und du kannst dich hier allein aufführen wie ein Schwein. Mich behandelst du schließlich auch wie eine Dienstmagd.«
    Sie stand vom Tisch auf und ging zur Tür. Hinter ihr murmelte Sir George: »… als ob mich das einen Dreck schert …«
    Lady Clarissa drehte sich zu ihm um. »Wenn hier irgendwelcher Dreck ist, dann ist es das, was du da gerade in dich hineinstopfst. Das sieht tödlich genug aus, um dich ins Leichenschauhaus zu bringen. Und das wäre auch kein Verlust!« Dann ging sie und knallte die Tür hinter sich zu.
    Sir George ging zur Anrichte und nahm sich noch eine Portion von dem fetten Schinkenspeck vom Warmhalteteller. Die einzigen Wolken am Horizont seiner guten Laune waren allein Clarissas Verwandtschaft geschuldet. Er wollte verdammt sein, wenn dieser widerliche alte Sack seine Gebeine in den Grund und Boden der Familie Gadsley bettete … Und wenn irgendjemand die Schlüssel zum Waffenschrank hatte mitgehen lassen, dann mit Sicherheit Edward. Idiot. Wilt würde merken, dass es so gut wie unmöglich war, diesen Bengel nach Cambridge zu bringen. Nun, Sir George würde jedenfalls nicht mehr lange zulassen, dass der Junge auf Sandystones Hall alles durcheinanderbrachte, das war mal sicher. Er war fest entschlossen, Eddie das Leben dermaßen zur Hölle zu machen, dass dieser seinen Stiefvater ganz und gar mied oder, noch viel besser, sich einen Job suchte und auszog. Aber wofür könnte der schon geeignet sein? Sir George überdachte das Problem und kam zu dem Schluss, dass sein Stiefsohn vielleicht gerade noch als Müllmann taugen könnte. Er kicherte gerade hämisch bei diesem Gedanken, als Mrs. Bale hereinkam und ihn daran erinnerte, dass er in zwanzig Minuten eine Anhörung hatte.
    »Wie lautet die Anklage?«, fragte er.
    »Es ist der Fall des Taxifahrers, der von Betrunkenen zusammengeschlagen wurde, die den Fahrpreis nicht bezahlen wollten, nachdem er sie in ihr Dorf zurückgefahren hatte.«
    »Ach, der. Bußgeld, weil er eine Schlägerei provoziert hat.«
    »Sie verurteilen den Taxifahrer? Wieso ihn? Warum nicht die betrunkenen Schläger? Immerhin haben die doch angefangen.«
    »Sie verkennen die jämmerliche Schwäche des Rechtssystems des 21. Jahrhunderts. Es gibt nicht genug Gefängnisse, und wir dürfen stattdessen auch nicht die Arrestzellen der Polizei nutzen, weil die damit verbundenen Kosten zu hoch wären. Oh ja, da ist es viel besser und auch ökonomisch sinnvoller, den Taxifahrer zu lehren, in Zukunft keine Betrunkenen mehr mitzunehmen. Er wird keinen Widerspruch einlegen, wenn er sieht, dass ich es bin, der ihn verurteilt: Er wird wissen, dass er froh sein kann, nicht gleich ins Gefängnis gewandert zu sein. Sie müssten mal die anderen Friedensrichter am Gericht sehen … weich wie vollgesogene Schwämme im Badewasser! Aber egal, bringen Sie mir bitte meinen Mantel.«
    Mrs. Bale verließ seufzend den Raum und fragte sich, warum sie seine Sekretärin geworden war. Ihr verstorbener Mann hatte oft die Redensart zitiert: »Das Gesetz ist ein Esel.« Wenn man Sir George als Maßstab nahm, dann war es noch viel schlimmer: Es war so irre wie eine Hyäne. Sie holte seinen Regenmantel und wartete, dass er nach unten in die

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